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Medienleute dürfen das Zeugnis verweigern

Pressemitteilung

Medienleute dürfen das Zeugnis verweigern

Bundesrat verabschiedet die Botschaft zur Revision des Medienstraf- und
Verfahrensrechts

Medienschaffende sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen das Zeugnis
verweigern dürfen. Dies hält der Bundesrat in seiner Botschaft zur Revision des
Medienstraf- und Verfahrensrechts fest, die er am Montag verabschiedet hat.
Ueber die Gewährung dieses neuen Zeugnisverweigerungsrechts wird der Richter
von Fall zu Fall entscheiden, wobei die Interessen der Journalisten und
diejenigen der Strafverfolgungsbehörden gegeneinander abzuwägen sind. Bei
seinem Entscheid muss sich der Richter an gewisse "Leitplanken" des
Gesetzgebers halten. So ist die Zeugnisverweigerung immer ausgeschlossen, wenn
die Aussage eines Medienschaffenden erforderlich ist, um jemanden aus einer
unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben zu retten oder wenn es um die
Aufklärung einer schweren Straftat geht. Die vorgeschlagene Regelung bewahrt
die zur Zeugnisverweigerung berechtigten Personen auch davor, nicht
publiziertes Bildmaterial den Behörden aushändigen zu müssen.

Ein gut ausgebauter Quellenschutz entspricht nicht nur einem alten Anliegen von
Journalisten; er ist - nach einem kürzlich ergangenen Entscheid des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte - im Lichte der EMRK geradezu
notwendig.

Die Schaffung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Medienleute ist zwar ein
zentraler, aber keineswegs der einzige Gegenstand dieser Vorlage, die das aus
den vierziger Jahren stammende Pressestrafrecht den heutigen Verhältnissen in
der Medienwelt anpassen soll. Insbesondere gilt es, die bisher allein auf die
(gedruckte) Presse beschränkten Strafvorschriften auf alle Medien auszudehnen.

Verzicht auf stellvertretende Strafbarkeit

Eine weitere wichtige Aenderung betrifft die Verantwortlichkeit für deliktische
Veröffentlichungen in Medien (Artikel 27 StGB). Konnte bisher der Verfasser
etwa eines ehrverletzenden Artikels aus irgendwelchen Gründen nicht vor Gericht
gestellt werden, wurde an seiner Stelle der verantwortliche Redaktor für die
Ehrverletzung bestraft. Diese stellvertretende Strafbarkeit widerspricht dem im
schweizerischen Strafrecht massgeblichen Prinzip, eine Strafe nur für
schuldhaftes Verhalten des Täters auszusprechen. Deshalb soll in solchen Fällen
der Redaktor künftig nur noch für die von ihm vorsätzlich oder fahrlässig nicht
verhinderte Veröffentlichung des deliktischen Beitrags belangt werden können.

Lockerung der Geheimhaltungsvorschriften

Die zunehmend anerkannte Funktion der Medien, zur Transparenz in öffentlichen
Angelegenheiten beizutragen und insbesondere auf Missstände hinzuweisen, lässt
es gerechtfertigt erscheinen, gewisse Einschränkungen, die durch starre
Geheimhaltungsvorschriften bewirkt werden, massvoll zu lockern. So wird die
Streichung der Bestimmung über die Veröffentlichung amtlicher geheimer
Verhandlungen (Artikel 293 StGB) vorgeschlagen. Wichtige staatliche und
militärische Geheimnisse bleiben freilich auch künftig vor Weiterverbreitung
durch Medien strafrechtlich geschützt. Die heutige unsachgemässe gesetzliche
Gleichstellung des Geheimnisse verbreitenden Journalisten und des
Landesverräters soll aber durch eine differenziertere Beurteilung ersetzt
werden (Artikel 267 StGB, Artikel 86 und 106 MStG).

Die Botschaft stützt sich massgeblich auf den Vorentwurf einer
Expertenkommission von 1991, deren Vorschläge in der Vernehmlassung im
wesentlichen gut aufgenommen wurden. Die Hauptkritik betraf die Ausgestaltung
des Zeugnisverweigerungsrechts; nach Meinung vieler Vernehmlasser schenkte die
Regelung des Vorentwurfs den Interessen der Strafverfolgung zu wenig Beachtung.
Der Bundesrat hat diesem Einwand in vorliegenden Entwurf durch die - mit
gesetzlichen Leitplanken kanalisierte - richterliche Interessenabwägung im
Einzelfall Rechnung getragen.

17. Juni 1996

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst

Weitere Auskünfte erteilen:
Dr. Peter Ullrich
Projektleiter Medienstrafrecht
Bundesamt für Justiz
Tel. 031/322 40 12

Dr. Peter Müller
Vizedirektor des Bundesamtes für Justiz
Tel. 031/322 41 33