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Gesetzlicher Rahmen für medizinisch unterstützte Fortpflanzung

Pressemitteilung

Gesetzlicher Rahmen für medizinisch unterstützte Fortpflanzung

Indirekter Gegenvorschlag zur Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung

Der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft zu einem
Fortpflanzungsmedizingesetz verabschiedet. Es regelt die medizinisch
unterstützte Fortpflanzung insbesondere ausserhalb des Körpers der Frau und
stellt dabei das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt. Das Gesetz stellt einen
indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative für menschenwürdige Fortpflanzung
dar.

Fast alle Stände und 73,8 Prozent der Stimmenden nahmen am 17. Mai 1992 Artikel
24novies der Bundesverfassung (BV) über den Schutz des Menschen und seiner
Umwelt gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie an. Diese
Verfassungsbestimmung verbietet die medizinisch unterstützte Fortpflanzung
nicht, enthält aber eine Reihe von Schranken. Namentlich sind die
Leihmutterschaft und die Embryonenspende ausdrücklich verboten. Bei der
Befruchtung menschlicher Eizellen ausserhalb des Körpers der Frau dürfen nur so
viele Embryonen entwickelt werden, als sofort eingepflanzt werden können.
Eingriffe in das Erbgut von menschlichen Keimzellen und Embryonen sind
untersagt. Bei den Verfahren mit gespendeten Samenzellen (heterologe Techniken)
wird dem Kind der Zugang zu den Daten über seine Abstammung gewährleistet. Im
übrigen wird der Bundesgesetzgeber verpflichtet, in der Ausführungsgesetzgebung
für den nötigen Schutz vor Missbräuchen zu sorgen.

Warum der Bundesrat die Initiative ablehnt
Bereits im Umfeld der Abstimmung über Artikel 24novies BV kündigte die
Gegnerschaft eine Volksinitiative für menschenwürdige Fortpflanzung an mit dem
Ziel, die Zeugung ausserhalb des Körpers der Frau (In-vitro-Fertilisation)
sowie die Verwendung von Keimzellen Dritter zur künstlichen Zeugung (heterologe
Verfahren) zu verbieten. Solche generellen Verbote - jahrelang praktizierter
Reproduktionsmethoden - sind nach Auffassung des Bundesrates im Lichte des
Grundrechts auf persönliche Freiheit unverhältnismässig. Missbräuche sind nach
seiner Auffassung mit einer zweckmässigen Ausführungsgesetzgebung zum heutigen
Artikel 24novies BV ausreichend bekämpfbar. Im übrigen wäre die Schweiz im
Falle der Annahme dieser Volksinitiative das einzige Land in Europa mit einem
Verbot der In-vitro-Fertilisation und der heterologen Verfahren, was zu einem
unerwünschten Ausweichen ins Ausland  führen könnte. Aus diesen Gründen lehnt
der Bundesrat die Initiative ab.

Kindeswohl als oberstes Ziel
Der Bundesrat unterbreitet dem Parlament den Entwurf für das Gesetz zur
Fortpflanzungsmedizin im Sinne eines Ausführungsgesetzes zum oben erwähnten
Verfassungsartikel und zugleich eines indirekten Gegenvorschlags zur
Volksinitiative. Das Gesetz erklärt das Kindeswohl zur obersten Maxime und
verlangt eine umfassende Aufklärung der zu behandelnden Paare. Die Daten der
Samenspender sind beim Eidgenössischen Amt für das Zivilstandswesen
aufzubewahren und dem Kind zugänglich zu machen. Im Gegenzug wird die
Vaterschaftsklage gegen den Samenspender ausgeschlossen. Der Entwurf untersagt
neben der Leihmutterschaft und der Embryonenspende auch die Eispende. Er
schlägt, mit Blick auf Missbrauchsgefahren, eine Bewilligungspflicht für
ärztliche Fortpflanzungshilfe  wie auch für die Konservierung von Keimzellen
und befruchteten Eizellen vor. Personen, die eine Bewilligung haben, sind zur
Berichterstattung verpflichtet. Zudem haben die Kantone eine ständige Aufsicht
zu führen. Die Befruchtung ausserhalb des Körpers der Frau wird umfassend in
den Dienst der Herbeiführung einer Schwangerschaft gestellt. Höchstens drei
Embryonen dürfen pro Behandlungszyklus erzeugt werden, um höhergradige
Mehrlingsschwangerschaften und das Entstehen überzähliger Embryonen zu
verhindern. Der Gesetzesentwurf untersagt die Konservierung von Embryonen
ebenso wie die Präimplantationsdiagnostik. Unter Strafe stellt er zudem die
missbräuchliche Gewinnung von Embryonen und deren Entwicklung ausserhalb des
Körpers der Frau über den Zeitpunkt hinaus, in dem die Einnistung möglich ist.
Strafbar sind zudem die Keimbahntherapie, d.h. verändernde Eingriffe in das
Erbgut von Keimzellen und Embryonen, das Klonen und die Chimären- und
Hybridbildung (vgl. Glossar im Anhang). Damit wird - auch rechtsvergleichend
gesehen - für den Embryo in vitro ein sehr hohes Schutzniveau erreicht.

Im Hinblick auf die rasche Entwicklung der Fortpflanzungsmedizin und der
Gentechnologie muss sich der Gesetzgeber auf das Wesentliche beschränken.
Vorgeschlagen wird deshalb eine nationale Ethikkommission, welche diese
Entwicklung laufend verfolgt und ergänzende Richtlinien zum Gesetz erarbeitet.
Eine bundesrätliche Verordnung soll dieser Kommission auch andere Aufgaben aus
dem Bereich der Humanmedizin und Biologie übertragen.

26. Juni 1996

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst

Weitere Auskünfte: Ruth Reusser, Hauptabteilung Privatrecht, Bundesamt für
Justiz, Tel. 322 41 49