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Verfassungsreform: Bundesrat fällt wichtige Entscheide bei Justiz- und

Pressemitteilung

Verfassungsreform: Bundesrat fällt wichtige Entscheide bei Justiz- und
Volksrechtsreform

Der Bundesrat hat an seiner Klausursitzung vom 21. August grundlegende
Beschlüsse zur Verfassungsreform gefällt. Grundlage der Diskussionen war die
detaillierte Auswertung der Ergebnisse der Vernehmlassung und der
Volksdiskussion, welche die Ende Mai bekanntgegebenen positiven Grundtendenzen
bestätigt hat.
Im Bereich Justizreform hat der Bundesrat einer teilweisen Zugangsbeschränkung
zum Bundesgericht und der Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit
zugestimmt. Bei den Volksrechten bejahte er u. a. die Einführung der
allgemeinen Volksinitiative sowie eines Verwaltungs- und Finanzreferendums. Die
Unterschriftenzahlen für Verfassungsinitiativen sollen auf 150 000, diejenigen
für das Referendum auf 100 000 festgelegt werden. Der Bundesrat wird den
entsprechenden Verfassungstext Ende September bereinigen und die Botschaft an
die Bundesversammlung Ende November verabschieden.

Der Bundesrat ist - im Sinne des Parlamentsauftrages aus dem Jahr 1987 -
entschlossen, das geltende Verfassungsrecht nachzuführen. Die neue
Bundesverfassung soll damit die heute gelebte Verfassungswirklichkeit zum
Ausdruck bringen. Auf der Basis dieser mise à jour des Verfassungsrechtes will
er aber auch materielle Reformen angehen. Er hat sich daher am Mittwochabend
intensiv mit den beiden Reformpaketen befasst. Im Bereich Justizreform ist er
vor allem zum Schluss gelangt, an der im Vernehmlassungsentwurf vorgesehenen
Zugangsbeschränkung zum Bundesgericht wie auch an der Einführung einer
Verfassungsgerichtsbarkeit (konkrete Normenkontrolle im Anwendungsfall)
festzuhalten. Offen ist noch die genaue Ausgestaltung des Vorranges des
Völkerrechts, wobei sich der Bundesrat im Grundsatz für eine solche Bestimmung
ausspricht.

Entscheide bei den Volksrechten

Die definitive Ausgestaltung des Reformpaketes bei den Volksrechten steht noch
nicht fest. Der Bundesrat hat jedoch folgende wichtige Entscheide getroffen:

- Künftig soll, entsprechend der Vernehmlassungsvorlage, nicht mehr die
Bundesversammlung, sondern - auf deren Ersuchen - das Bundesgericht
Volksinitiativen ungültig erklären können.

- Die Einführung der allgemeinen Volksinitiative wird bejaht, auf die
Einführung der formulierten Gesetzesinitiative wie des konstruktiven
Referendums wird dagegen verzichtet (gemäss Vernehmlassungsvorlage).

- Es soll ein Verwaltungs- und Finanzreferendum eingeführt werden (gemäss
Vernehmlassungsvorlage), jedoch für seine Auslösung in den beiden Räten das
einfache Mehr gelten (wie bereits heute beim Behördenreferendum gemäss Art. 89
Abs. 4 BV).

- Die Unterschriftenzahlen für Initiative und Referendum sollen erhöht werden:
für die Initiative zur Totalrevision der Bundesverfassung und für die
Verfassungsinitiative auf 150000 Unterschriften (heute 100000), für das
Referendum auf 100000 Unterschriften (heute 50000). Für die neu eingeführte
allgemeine Volksinitiative werden 100000 Unterschriften benötigt.

- Noch nicht entschieden hat sich der Bundesrat, ob und wie er eine Erweiterung
des Staatsvertragsreferendums, gekoppelt mit dem Ausschluss des Referendums für
die notwendige Ausführungsgesetzgebung, vorschlagen wird. Er wird sich mit
dieser Frage Ende September befassen.

- Zu den in der Kernvernehmlassung von der Konferenz der Kantonsregierungen
(KdK) geltend gemachten Forderungen zum Föderalismusbereich (insbesondere
Mitwirkung der Kantone bei Gesetzgebung und Aussenpolitik, Anzahl der Kantone
für Kantonsreferendum und Standesinitiative, Gemeindeautonomie) wird der
Bundesrat ebenfalls Ende September Stellung nehmen.

Bereits früher entschieden

Bereits in früheren Klausursitzungen ( 17. April, 22. Mai) hat der Bundesrat,
angesichts der grundsätzlich positiven Ergebnisse der Vernehmlassung und der
Volksdiskussion das Konzept der Verfassungsreform als offenen Prozess
(etappenweises Vorgehen) bejaht. Im Mai hat er zudem erste Grundsatzentscheide
zu den Programmartikeln sowie zur Wirtschafts- und zur Sozialverfassung
getroffen. Er beschloss damals in erster Linie, an einem Katalog von
Sozialzielen und an den sozialen Grundrechten (Existenzsicherung, Streikrecht)
festzuhalten, jedoch die textliche Ausgestaltung aufgrund des
Vernehmlassungsverfahrens nochmals zu überprüfen und zu präzisieren.

23. August 1996

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst