Grundsatzentscheide des Bundesrates zur Umsetzung der Alpeninitiative
PRESSEMITTEILUNG
Grundsatzentscheide des Bundesrates zur Umsetzung der Alpeninitiative
Der Bundesrat hat heute in einer Aussprache verschiedene Grundsatzfragen
zur Umsetzungsstrategie der Alpeninitiative diskutiert und Entscheide zu
deren Konkretisierung gefällt. Bereits am 21. Februar 1996 hatte er das
EVED beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Diese wird dem
Bundesrat Ende 1996 vorgelegt werden.
Ausgangslage
Im Anschluss an die Volksabstimmung vom 20. Februar 1994 beauftragte der
Bundesrat das EVED, die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels an die Hand
zu nehmen. In einer ersten Phase ging es darum, die Verunsicherungen des
Auslandes über die künftige schweizerische Güterverkehrspolitik abzubauen.
Erst nachdem der Bundesrat am 9.^September 1994 eine europakompatible und
nichtdiskriminierende Umsetzungsstrategie skizzierte, welche auf der
Anwendung marktwirtschaftlicher Instrumenten beruht, konnten die
bilateralen Verhandlungen mit der EU deblockiert werden. Seit diesem
Zeitpunkt wurde die Umsetzungsstrategie zur Alpeninitiative konkretisiert
und verfeinert.
Hauptinhalt der Aussprache
Die heutige Aussprache diente schwergewichtig der Beurteilung zweier
Grundsatzfragen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Verfassungsartikels
36 sexies: Einerseits der Interpretation von Absatz 2, wonach der
alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze zu verlagern ist und
andererseits die anzustrebende Einbettung der Umsetzung in einen
europäischen Rahmen.
Der Bundesrat stellt grundsätzlich fest, dass die Umsetzung der
Alpeninitiative unter Berücksichtigung der innen- und aussenpolitischen
Ansprüche ein sehr komplexes und schwieriges Unterfangen darstellt. Er
kommt zum Schluss, dass aus faktischen und politischen Gründen eine
verfassungsrechtlich unantastbare Umsetzung des Artikels 36^sexies nicht
möglich ist. Massnahmen, welche ausschliesslich den Gütertransitverkehr von
Grenze zu Grenze treffen, sind angesichts der damit verbundenen
Diskriminierungen auszuschliessen. Der Bundesrat stuft die Folgen eines
solchen Vorgehens, welche weit über den Verkehrsbereich hinaus gehen, für
die Schweiz als sehr gravierend ein.
Diese Einschätzung ändert aber nichts am festen Wille des Bundesrates, den
Alpenschutzartikel umzusetzen und alpenquerenden Verkehr von der Strasse
auf die Schiene zu verlagern. Deshalb ist die am 9. September 1994
skizzierte Umsetzungsstrategie, wonach alle alpenquerenden Verkehrsarten
(Transit-, Import-, Export- und Binnenverkehr) zur Verlagerung beitragen
sollen, trotz den damit verbundenen Schwierigkeiten im Sinne einer
verfassungsrechtlich vertretbaren bestmöglichen Umsetzung der Initiative
weiterzuverfolgen. Die marktwirtschaftlichen Massnahmen sollen für alle
Verkehrsarten greifen, wobei ein Fahrtenaufkommen im Ausmass des
Transitverkehrs, verteilt auf alle Verkehrsarten, zu verlagern ist. Der
Bundesrat ist überzeugt, dass mit dieser Umsetzungsstrategie sowohl die
ökologischen Zielsetzungen als auch die mengenmässige Verlagerungsvorgabe
der Initiative erfüllt werden können.
Konkret soll der Verfassungsartikel 36 sexies durch ein dreiteiliges
Programm umgesetzt werden: Durch die gesamtschweizerische Verwirklichung
der Kostenwahrheit im Güterverkehr mit der LSVA als Sockelmassnahme, durch
eine zusätzliche Belastung des Strassengüterverkehrs im ökologisch
sensiblen Alpenraum (Alpentransitabgabe) sowie durch ein Programm zur
Förderung des alpenquerenden Schienengüterverkehrs.
Der zweite Grundsatzentscheid betrifft die Einbettung dieser Umsetzung in
einen europäischen Rahmen. Der Bundesrat sieht, dass eine isolierte
Umsetzung durch die Schweiz den ökologischen Zielsetzungen der Initiative
nur bedingt gerecht würde, da der ökologisch bedenkliche Umfahrungsverkehr
zunehmen würde. Aus diesem Grund strebt er im Rahmen der bilateralen
Verhandlungen mit der EU eine harmonisierte Politik für den Alpenraum an.
Alle Massnahmen der EU in bezug auf die Kostenwahrheit und die besondere
Berücksichtigung des ökologisch sensiblen Alpenraums unterstützen das
Verlagerungsziel der Alpeninitiative auf eine effiziente Art. Tendenziell
wird Langstreckenverkehr verlagert und der Abgabebedarf in der Schweiz
gesenkt. Die Schweiz bewahrt sich dabei die Autonomie bei der Umsetzung des
Verfassungsartikels 36 sexies.
Weitere Entscheide
Der Bundesrat hat im weiteren zu mehreren für die Ausarbeitung der
Vernehmlassungsvorlage wichtigen Einzelfragen Grundsatzentscheide gefällt.
Im Vordergrund stehen die Möglichkeit zur Kompensation übermässiger
wirtschaftlicher Benachteiligungen einzelner Regionen und Branchen der
Schweiz, welche durch die Belastung des alpenquerenden Güterverkehrs
entstehen würden. Der Kanton Tessin wäre hiervon speziell betroffen. Der
Bundesrat ist der Auffassung, dass ein Teil der finanziellen Mittel aus den
Einnahmen der zusätzlichen Abgaben im Alpenraum (Alpentransitabgabe) den
betroffenen Kantonen zur Minderung der wirtschaftlichen Härtefälle direkt
zur Verfügung gestellt werden soll.
Des weiteren hat der Bundesrat festgelegt, dass das für das Umlagerungsziel
massgebende Verkehrsaufkommen (im Ausmass des Transitverkehrs) auf der
Basis der differenzierten Verkehrszählungen des Jahres 1999 festgelegt
werden soll. Nach heutigen Schätzungen wären dies ca. 600'000
Schwerverkehrs-Fahrten. Dieses Vorgehen wird den ökologischen Zielsetzungen
der Initiative gerecht, indem das Verkehrswachstum bis ins Jahr 1999 in das
Umsetzungziel mit einbezogen wird. Sollten aber vor Inbetriebnahme der NEAT
bahnseitig Kapazitätsengpässe eintreten, so würde dieses Verlagerungsziel
erst zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der NEAT erreicht.
Die Notwendigkeit, den Binnen-, Import- und Exportverkehr der
Alpentransitabgabe zu unterstellen, hat nach Ansicht des Bundesrates zur
Folge, dass auch für diese Verkehrsarten eine bahnbetrieblich vernünftige
Alternative angeboten werden muss. Er hat deshalb das EVED beauftragt, im
Laufe dieses Jahres verschiedene diesbezügliche Fragen im Bereich der
Infrastruktur, des Betriebes und der Bahntechnik abzuklären.
4.96 Eidgenössisches Verkehrs- und
Energiewirtschaftsdepartement
Pressedienst
Auskünfte: Dr. Max Friedli, Direktor, Bundesamt für Verkehr, Tel. 031 322
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