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Studie über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Sprachgruppen

Pressemitteilung

Studie über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Sprachgruppen

Eine Forschergruppe der Universität Genf hat eine Studie über die Probleme in
den Beziehungen zwischen den verschiedenen Sprachgruppen erarbeitet.
Verschiedentlich sind in den letzten Jahren im Rahmen von Volksabstimmungen die
Meinungen der Landesteile und Sprachgruppen diametral auseinandergegangen. In
der politischen Oeffentlichkeit wird dies in zunehmendem Masse als wachsender
Graben zwischen den verschiedenen Landesteilen interpretiert. Vor diesem
Hintergrund hat die Bundeskanzlei zusammen mit den Bundesämtern für Kultur und
für Statistik eine Studie in Auftrag gegeben. Darin sollten die Frage eines
Grabens zwischen den verschiedenen Landesteilen sowie Massnahmen, wie sie von
den zwei parlamentarischen Verständigungskommissionen vorgeschlagen worden
sind, genauer untersucht werden. Beauftragt wurde eine von Prof. Hanspeter
Kriesi geleitete Forschergruppe der Universität Genf, bei welcher auch die
Verantwortung für die Resultate liegt.

Die Autoren kommen in ihrer Arbeit zu differenzierten Schlüssen. Insgesamt - so
das Fazit der Studie - stellen die Beziehungen zwischen den Sprachgruppen für
Schweizerinnen und Schweizer kein vordringliches Problem dar, verglichen etwa
mit der Arbeitslosigkeit oder den Drogen. Ferner herrscht zwischen den
verschiedenen Sprachregionen in bezug auf die politischen Grundwerte weitgehend
Uebereinstimmung. Die Frage der Beziehungen zwischen den Sprachregionen wird
von den Minderheiten jedoch als problematischer empfunden als von der
deutschsprachigen Mehrheit. Ebenso weisen verschiedene Tendenzen darauf hin,
dass sich der Sprachgraben in den kommenden Jahren wahrscheinlich verschärfen
wird. Mit Blick auf den vielzitierten Graben in Volksabstimmungen kommen die
Forscher zum Schluss, dass Tessin und Westschweiz heute zwar häufig in die
Minderheit versetzt werden. Auf die grosse Anzahl von Abstimmungen bezogen ist
dies anteilmässig jedoch wesentlich weniger der Fall als früher.

Grundlage dieser Einschätzung ist eine Analyse des bisherigen staatlichen
Zusammenlebens. Dabei kommen die Autoren zum Schluss, dass dieses bisher vor
allem in einer Art gegenseitiger Unkenntnis der verschiedenen Landesteile,
Kantone und Bevölkerungen besteht. Die verschiedenen Teile der Schweiz sind nur
durch die gemeinsamen politischen Institutionen, nicht aber durch ein
gegenseitiges Sich-Kennen verbunden. Als Gründe nennen die Autoren die eher
bescheidenen Kenntnisse der andern Landessprachen und die Tatsache, dass die
Schweizerinnen und Schweizer die Medien der andern Sprachregionen (Presse,
Radio, Fernsehen) nicht verfolgen.

Angesichts des Umbruchs, in welchem die Schweiz und ihre Umwelt in politischer,
wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht heute stehen, werfen die Autoren die
Frage auf, ob dieses Nebeneinander für die Lösung der heutigen und künftigen
Probleme noch genügt. Bereits heute - so der Bericht - ist ein grundlegender
Wandel im Zusammenleben zwischen den verschiedenen Sprachgruppen im Rahmen der
schweizerischen Institutionen feststellbar. Konnten in früheren Jahrzehnten
unterschiedliche Ansichten auf dem Wege föderalistischer Lösungen unter einem
Dach Platz finden, ist dies heute nicht mehr der Fall. Heute sind alle
wichtigen Fragen - einschliesslich der Reform der Institutionen - gleichzeitig
auch Fragen der Aussenbeziehungen der Schweiz - eine Tatsache, welche die
Unterschiede zwischen den Sprachgruppen tendenziell weiter verstärkt. Zentrale
Aufgabe der heutigen Politik wäre es deshalb nach Ansicht der Autoren, einen
gemeinsamen Nenner in der Frage zu finden, welche Stellung unser Land in Europa
und in der Welt einnehmen und welche Rolle es spielen soll.

SCHWEIZERISCHE BUNDESKANZLEI
Informationsdienst

08.09.95

Auskünfte: Werner Thut, Bundeskanzlei (322 38 90), und (für Fragen
wissenschaftlicher Art) Pascal Sciarini, Universität Genf (022 705 83 61)