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CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

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Bundesrat eröffnet

Pressemitteilung

Bundesrat eröffnet
Vernehmlassungsverfahren zur
Verfassungsreform. Aufruf zur
Stellungnahme

Leitmotiv der Verfassungsreform: Bewährtes erhalten,
Zukunft gestalten, Schweiz stärken

Der Bundesrat unterbreitet das Projekt der
Verfassungsreform einer erweiterten Vernehmlassung.
Er lädt neben den Kantonen, Parteien, Verbänden und
interessierten Organisationen alle Bürgerinnen und
Bürger ein, sich mit den Revisionsvorschlägen
auseinanderzusetzen und dazu Stellung zu nehmen. Die
Vernehmlassung dauert bis Ende Februar 1996.

Das Projekt der Verfassungsreform besteht aus einem
Entwurf einer neuen Bundesverfassung, der das
geltende geschriebene und ungeschriebene
Verfassungsrecht wiedergibt, aus vier punktuellen
Neuerungen und aus zwei Reformpaketen zur Erneuerung
der "Volksrechte" und der "Justiz". Der Bundesrat
unterstützt dieses Vorhaben und teilt die
grundsätzliche Stossrichtung der
Revisionsvorschläge, die vom Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartement auf der Grundlage von
Expertenberichten erarbeitet worden sind. Er hat zu
diesen Vorschlägen jedoch noch nicht abschliessend
Stellung genommen. Er will vorerst das Ergebnis der
Vernehmlassung abwarten. Der Bundesrat ist jedoch
bestrebt, die bald 30jährigen Vorarbeiten zur
Verfassungsrevision noch in diesem Jahrhundert
abzuschliessen. Das Jubiläumsjahr 1998 könnte dafür
- gemäss Beschluss des Parlamentes - den würdigen
Rahmen bilden.

Nachführung

Unsere Bundesverfassung ist in ihren Grundzügen bald
150 Jahre alt. Als Fundament unseres Bundesstaates
hat sie sich bewährt, und im Kern ist sie nach wie
vor gesund. Doch in dieser langen Zeit ist sie 136
Mal geändert worden. Das hat sie zu einem auf weite
Strecken schwer verständlichen, teilweise gar
verschlüsselten Dokument werden lassen, in dem sich
nur noch wenige auskennen. Es ist daher ein
wichtiges Ziel, eine neue, verständliche Verfassung
zu schaffen, mit der sich die Mitbürgerinnen und
Mitbürger identifizieren können und die das
staatliche Handeln wieder zu steuern vermag.

Die Bundesversammlung hat den Bundesrat am 3. Juni
1987 beauftragt, den Entwurf einer neuen Verfassung
zu erstellen, in welchem das geschriebene und
ungeschriebene Verfassungsrecht nachgeführt,
verständlich dargestellt, systematisch geordnet und
in Dichte und Sprache vereinheitlicht wird. Der
Verfassungsentwurf soll den Bundesstaat Schweiz so
zum Ausdruck bringen, wie er sich in den vergangenen
150 Jahren entwickelt hat und wie er heute wirklich
existiert. Dies dient der Transparenz und verschafft
dem geltenden Verfassungsrecht eine neue
demokratische Legitimation, weil die Nachführung vor
allem das ungeschriebene Verfassungsrecht, das sich
seit Jahrzehnten neben dem Verfassungswortlaut
entwickelt hat, kodifiziert.

Die punktuellen Neuerungen

Bei der Verabschiedung des Parlamentsbeschlusses zur
Verfassungsrevision im Jahre 1987 bestand in den
Eidgenössischen Räten die Auffassung, dass der
Bundesrat ermächtigt sei, neben der Nachführung auch
punktuelle Aenderungen der Verfassung vorzuschlagen.
Aus Transparenzgründen soll dies jedoch in Form von
"Varianten" geschehen. In diesem Sinne enthält das
Projekt der Verfassungsreform auch vier "Varianten".
Es handelt sich dabei um eine Beschränkung auf
wenige staatspolitische Reformanliegen, die unter
das einheitliche Leitmotiv der Verbesserung der
institutionellen Rahmenbedingungen des Bundesstaates
gestellt sind. An der geltenden Aufgabenteilung
zwischen Bund und Kantonen wird dabei bewusst nichts
geändert.

In diesem Sinne werden folgende vier Änderungen
vorgeschlagen: eine erleichterte Gebietsveränderung
zwischen den Kantonen vorgeschlagen (nicht mehr
Zustimmung von Volk und Ständen, sondern nur noch
Bundesversammlung mit Referendumsvorbehalt), eine
Verankerung der Mitwirkung der Kantone bei der
Aussenpolitik, das grundsätzliche Recht jeder
Person, in Akten der Verwaltung Einsicht zu nehmen,
und eine klarere Regelung für den Schutz des
Redaktionsgeheimnisses.

Die Erneuerung der Volksrechte und der Justiz

Die Verfassungsreform dient auch der Stärkung
unserer demokratischen Institutionen und der
Verbesserung der Rahmenbedingungen des staatlichen
Handelns. Die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit
der Schweiz soll gestärkt und für die Zukunft
gesichert werden. Die Nachführung des geltenden
Verfassungsrechts allein vermöchte aber diese Ziele
nicht zu erreichen. Es braucht dazu auch materielle
Reformen. Die entsprechenden Vorschläge
konzentrieren sich im heutigen Zeitpunkt, neben den
Varianten, auf zwei Reformpakete, nämlich die Reform
der "Volksrechte" und der "Justiz".

Ziel der Reform der Volksrechte ist es, unsere
Volksrechte als prägendes Merkmal unseres Staates
wieder besser in Einklang zu bringen mit den
Anforderungen an den heutigen Bundesstaat. Dabei
geht es weder um einen einseitigen Abbau noch um
einen einseitigen Ausbau der direkten Demokratie.
Vielmehr sollen die Substanz und Ausgewogenheit des
demokratischen Entscheidungsprozesses erhalten und
gestärkt werden. Aus diesem Grund sind die
Vorschläge zur Reform der Volksrechte als
ganzheitliches Paket zu verstehen.

Die wichtigsten Neuerungen, die vorgeschlagen
werden, sind:

-	die Einführung der allgemeinen Volksinitiative,
wonach 100'000 Stimmberechtigte die Annahme oder
Aufhebung einer Verfassungs- oder
Gesetzesbestimmung in Form der allgemeinen
Anregung verlangen können;
-	die Möglichkeit der Bundesversammlung, den
Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern Alternativen
zur Abstimmung zu unterbreiten;
-	die Einführung des fakultativen Finanz- und
Verwaltungsreferendums;
-	der Ausbau des fakultativen
Staatsvertragsreferendums bei rechtssetzenden
Staatsverträgen und andererseits die
Einschränkung der Referendumsmöglichkeit bei
Ausführungsgesetzen zu Staatsverträgen, soweit
es sich um notwendige Anpassungen handelt;
-	die Erhöhung der Unterschriftenzahl für die
Verfassungsinitiative  (200'000) und das
fakultative Referendum (100'000);
-	die ausdrückliche Verankerung des Vorranges des
Völkerrechts als Prinzip wie auch der
Möglichkeit des Bundesgerichtes (anstelle des
Parlamentes), gegebenenfalls Volksinitiativen
für ungültig zu erklären.

Ziel der Reform der Justiz  ist vor allem die
Sicherung der Funktionsfähigkeit und der Qualität
der Rechtsprechung des Bundesgerichts. Diese
Funktionsfähigkeit ist heute angesichts chronischer
Überlastung zunehmend gefährdet. Es kann zudem nicht
übersehen werden, dass Lücken im Rechtsschutz
bestehen, indem die wichtigsten Entscheide des
Bundes (Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse) einer
richterlichen Kontrolle entzogen sind. Schliesslich
besteht ein offensichtlicher Harmonisierungsbedarf
im Bereich des schweizerischen Prozessrechts.

Vorgeschlagen werden u.a. folgende Neuerungen:
- Schaffung richterlichen Vorinstanzen;
- Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage
für Zugangsbeschränkungen,
  wobei die höchstrichterliche Beurteilung
garantiert ist, wenn ein subjektiv oder
  objektiv wichtiger Nachteil droht;
- Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit in
konkreten Anwendungsfällen. Das
  Bundesgericht soll prüfen, ob die Bundesgesetze
mit den verfassungsmässigen
  Rechten und dem Völkerrecht übereinstimmen und
ihnen allenfalls die
  Anwendung versagen können.
- Vereinheitlichung des Strafprozessrechts;
Harmonisierung des
  Zivilprozessrechts.

Reformbedarf gibt es auch auf andern Gebieten des
staatlichen Lebens. Eine Verfassungsreform kann
jedoch heute nicht mehr sämtliche Reformanliegen auf
einmal realisieren. Der Bundesrat versteht deshalb
heute die Verfassungsreform als offenen Prozess. Die
nachgeführte, neue Verfassung bildet die Grundlage
und das Gefäss für Reformen, die gleichzeitig oder
etappenweise realisiert werden können. Mit dieser
Vorlage zur Verfassungsreform wird somit die
Diskussion über weitere institutionelle Reformen
nicht verbaut.

                                       Wen fragen,
wo bestellen?

Bestellungen der Unterlagen zur Verfassungsreform
erfolgen direkt bei der EDMZ. Informationen erteilt
die "Info-Stelle Verfassungsreform":
Tel. 031/ 324 12 87; Fax 031/ 322 42 75.
Für materielle Fragen stehen am Montag, 26. Juni,
auch Dr. Bernhard Ehrenzeller, Persönlicher
Mitarbeiter von Bundesrat Koller (031/ 322 40 05),
sowie seitens des Bundesamtes für Justiz Dir.
Heinrich Koller (031/ 322 41 01), Vizedir. Luzius
Mader (031/ 322 4102) und Vizedir. Olivier Jacot-
Guillarmod (031/ 322 41 85) zur Verfügung.

26. Juni 1995

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst