Stellungnahme BR zur Initiative Verbot Kriegsmaterialausfuhr
Keywords : Presserohstoff, Stellungnahme, Bundesrat, Volksbegehren, Initiative,
Kriegsmaterialausfuhr, Verbot
(Ti) Stellungnahme des Bundesrates zu einzelnen Punkten des Volksbegehrens
Initiative "für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr"
(Ld) Die hauptsächlichen Ziele der Volksinitiative "für ein Verbot der
Kriegsmaterialausfuhr" (vgl. Initiativtext im Anhang) sind :
- die Förderung von Bestrebungen zur Eindämmung des Kriegsmaterialhandels
und zur Rüstungsbeschränkung sowie
- ein Verbot der Ausfuhr, Durchfuhr und Vermittlung von Gütern und
Dienstleistungen für kriegstechnische Zwecke.
In seiner Botschaft zuhanden des Parlaments nimmt der Bundesrat dazu Stellung;
ferner zeigt er die Bedeutung der schweizerischen Kriegsmaterialausfuhren auf
und geht auf einige spezifische Probleme der Initiative ein.
Seine Kernaussagen sind hier zusammengefasst.
(Tx) 1. BEITRAG DER SCHWEIZ ZU RÜSTUNGSKONTROLLE UND ABRÜSTUNG
Die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik des Bundesrates ist darauf
ausgelegt, den aussen- und sicherheitspolitischen Handlungsspielraum voll zu
nutzen, um auf der Grundlage ausgewogener, politisch verbindlicher, militärisch
signifikanter und verifizierbarer Abkommen mit möglichst vielen Staaten bei der
Festigung von Frieden und Sicherheit kooperieren zu können.
Die Schweiz kann namhafte rüstungskontroll- und abrüstungspolitische Leistungen
vorweisen. So hat sie alle multilateralen Rüstungskontroll- und
Abrüstungsabkommen ratifiziert, die derzeit in Kraft sind (siehe Anhang). Sie
setzt sich ein für Massnahmen der Vertrauens- und Sicherheitsbildung, für ein
Verbot der Produktion von Massenvernichtungswaffen, für die Eingrenzung
von Rüstungsexporten sowie für mehr Transparenz im konventionellen
Waffengeschäft. Überdies beteiligt sie sich an internationalen Gremien zur
Absprache von Exportkontrollen.
Soweit die Initiative mit ihrer Forderung nach Rüstungsbeschränkung zur
Annahme verleitet, dass die Schweiz auf dem Gebiet nicht genügend tue,
missachtet sie die Tatsache, dass der Bundesrat im Rahmen seiner jahrelangen
ursachenorientierten Sicherheits- und Rüstungskontrollpolitik schon
zahlreiche konstruktive Beiträge zur Beilegung von Krisen und Konflikten
geleistet hat.
2. BEDEUTUNG UND BERECHTIGUNG VON KRIEGSMATERIALAUSFUHREN
Es gibt zwei Quellen quantitativer Informationen über den globalen
Kriegsmaterialhandel: die United States Arms Control and Disarmament Agency
(USACDA) und das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI).
Beide weisen der Schweiz einen untergeordneten Rang bei den Ausfuhrländern zu.
Für die Zeitspanne 1988-1992 nennt das SIPRI die folgenden (geschätzten)
Daten:
Globale Rüstungsexporte (in Mio. US-$)
Jahr Rüstungsexporte Rüstungsexporte in %
global der Schweiz
1988 40'034 76 0.19
1989 38'133 154 0.40
1990 29'972 192 0.64
1991 24'470 369 1.51
1992 8'045 83 0.46
88-92 151'013 874 0.58
Rüstungsexporte an industralisierte Länder (in Mio. US-$)
Jahr Rüstungsexporte Rüstungsexporte in %
global der Schweiz
1988 16'346 41 0.25
1989 16'510 130 0.79
1990 12'290 157 1.28
1991 11'230 341 3.04
1992 9'086 56 0.62
88-92 65'461 725 1.11
Rüstungsexporte an Entwicklungsländer (in Mio.US-$)
Jahr Rüstungsexporte Rüstungsexporte in %
global der Schweiz
1988 23'688 35 0.15
1989 21'623 24 0.11
1990 17'682 35 0.20
1991 13'240 28 0.21
1992 9'320 27 0.29
88-92 85'552 149 0.17
Die Initianten verlangen ein Verbot jeglicher Ausfuhr, Durchfuhr und
Vermittlung von Kriegsmaterial und damit zusammenhängenden Dienstleistungen.
Das widerspricht aber zumindest indirekt dem Recht jedes Staates, einen Angriff
gewaltsam abzuwehren. Dieses Recht beinhaltet implizit auch die Beschaffung der
zur Verteidigung benötigten Mittel.
Nur die Grossmächte können in dem Bereich autonom sein. Alle anderen Länder,
so auch die Schweiz, sind für ihre Bewaffnung mehr oder weniger auf
andere Staaten angewiesen. Ein generelles Verbot der Kriegsmaterialausfuhr, in
welches Land auch immer, wäre daher nur schwer mit dem von uns beanspruchten
Recht, die erforderlichen Rüstungsgüter im Ausland kaufen zu können, in
Einklang zu bringen.
Der Bundesrat erachtet ein derart absolutes Verbot weder als gerechtfertigt
noch als opportun. Deshalb soll am bisherigen Prinzip festgehalten werden,
Kriegsmaterialexporte unter bestimmten Voraussetzungen zu bewilligen.
3. DUAL-USE-GÜTER UND -DIENSTLEISTUNGEN
Laut Initiativtext sollen die Ausfuhr, Durchfuhr und Vermittlung von Gütern und
Dienstleistungen, die sowohl für militärische wie für zivile Zwecke
verwendet werden können, und die dazu notwendigen Finanzierungsgeschäfte
untersagt sein, falls der Erwerber sie für kriegstechnische Zwecke
verwenden will. Tatsächlich hat die Problematik der Exportkon-trolle von Dual-
use-Gütern wegen den Bemühungen einiger Staaten um Beschaffung von
ABC-Waffen in den letzten Jahren stark zugenommen. Deshalb verstärkten die
westlichen Industrieländer ihre Bestrebungen zur Non-Proliferation.
Exportkontrollen für Dual-use-Güter kennt die Schweiz schon seit 1951.
Sie führte sie ein, um die Bezugsmöglichkeiten unserer Industrie an
technologisch wichtigen Gütern in den Mitgliedländern der COCOM (Nato-Staaten
ohne Island sowie Japan und Australien) sicherzustellen. Dual-use-Produkte sind
im Anhang zur Verordnung über die Güteraus- und -durchfuhr aufgelistet.
Künftig soll ihre Ausfuhr in einem Güterkontrollgesetz gere-gelt sein, das im
Bundesamt für Aussenwirtschaft (Bawi) ausgearbeitet wird.
Im Nuklearbereich erkannten die Nuklearlieferländer nach der Aufdeckung des
irakischen Kernwaffenprogramms, dass ihre im Jahre 1978 eingeführten Kontrollen
für Nukleargüter nicht genügten. 1991 einigten sie sich deshalb auf eine
verstärkte Kontrolle der nuklearen Dual-use-Güter. In der Schweiz wurde
dies durch Erlass eines entsprechenden Anhangs in der ABC-Verordnung ermöglicht.
Die ABC-Verordnung ist noch bis Ende 1995 gültig. Dann soll sie durch ein
Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer
Güter (Güterkontrollgesetz) abgelöst werden. Der Bundesrat erachtet das
Problem damit als optimal geregelt.
Der Bundesrat lehnt die Initiative auch in dem Punkt als zu radikal ab, weil
sie einseitig vom Verwendungszweck der Dual-use-Güter ausgeht; denn dieser ist
vom Empfänger relativ leicht zu vertuschen, kann also vom Lieferanten oft gar
nicht erkannt werden. Anders als das Gesetz unterstellt die Initiative auch
Finanzierungsgeschäfte und Dienstleistungen dem Kontrollregime. Auch hier
stellt sich die Frage der Kontrollmöglichkeiten.
4. FOLGEN EINER ANNAHME DER INITIATIVE
Ein Ja zur Volksinitiative "für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr" hätte
schwerwiegende Folgen für die Landesverteidigung, die Schweizer Wirtschaft und
die eidgenössischen Rüstungsbetriebe.
a) Folgen für Armee und Rüstungsindustrie:
Unsere Landesverteidigung ist auf das einheimische Industriepotential
angewiesen. Neben den eidgenössischen Rüstungsbetrieben gibt es zahlreiche
private Unternehmen, die nebst zivilem Material auch Rüstungsmaterial
herstellen. Ferner sind Tausende von Firmen jeder Grössenordnung als
Unterlieferanten an der Herstellung von Rüstungsgütern beteiligt.
Sie alle unterstützen die Landesverteidigung mit spezialisiertem Know-how,
Dienstleistungen und Produkten. Ihre Bedeutung wird durch den hohen
Inlandanteil von 80 Prozent an den durch die Gruppe für Rüstungsdienste
getätigten Rüstungsmaterialbeschaffungen be-legt. Dieser Anteil entspricht
einem jährlichen Beschäftigungsvolumen von rund 15'000 Personen.
Es besteht also ein vitales Interesse am Überleben des inländischen
Industriepotentials im wehrtechnischen Bereich. Der begrenzte Bedarf an
Rüstungsgütern für unsere eigene verkleinerte Armee und die massiven
Kürzungen des Militärbudgets erlauben es jedoch kaum mehr, Entwicklungen
ausschliesslich für den Eigenbedarf vorzunehmen. Die Komplexität moderner
Waffensysteme erfordert Entwicklungskapazitäten, die in der Schweiz nur mehr
beschränkt vorhanden sind. Also braucht es die Zusammenarbeit mit
ausländischen Partnern.
Das Exportverbot würde derartige Kooperationen verunmöglichen. Die Folge:
Die Privatindustrie wäre gezwungen, sich wegen der fehlenden Vermarktungs-
möglichkeiten aus dem Wehrbereich zurückzuziehen. Dadurch gingen nicht nur
Arbeitsplätze verloren, sondern unserer Armee auch wichtiges Know-how.
Gleichzeitig würde die Schweiz in wachsende Abhängigkeit von ausländischen
Rüstungsunternehmen gelangen.
b) Folgen für die inländische Exportwirtschaft:
Die Initiative erfasst nicht nur eigentliches Kriegsmaterial, sondern auch
Dual-use-Güter,- Dienstleistungen und -Technologie, die der Erwerber für
kriegstechnische Zwecke verwenden will (vgl. Punkt 3). Somit sind weite Teile
unserer zivilen Exportindustrie berührt.
Besonders betroffen wäre im Fall einer Annahme der Initiative unsere
Maschinenindustrie, da sich mit ihren Erzeugnissen grundsätzlich sowohl zivil
als auch militärisch einsetzbare Güter herstellen lassen.
Insbesondere müsste sich die schweizerische Industrie beim Export ziviler
Produkte und Dienstleistungen behördlichen Kontrollen und Eingriffen unter-
ziehen, die wesentlich einschneidender wären als in anderen vergleichbaren
europäischen Staaten. Damit würde ein schwerwiegendes Handelshemmnis
zulasten der eigenen Unternehmen aufgebaut.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Wettbewerbschancen in einem
Schlüsselsektor unserer Exportwirtschaft, der Maschinen-, Elektro- und Metall-
industrie mit ihren rund 365'000 Beschäftigten, durch die Initiative ganz
erheblich beeinträchtigt würde.
Volksinitiative "für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr"
W O R T L A U T :
Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 40bis (neu)
1 Der Bund fördert und unterstützt internationale Bestrebungen zur Eindämmung
des Kriegsmaterialhandels und zur Rüstungsbeschränkung zugunsten der sozialen
Entwicklung.
2 Ausfuhr, Durchfuhr und Vermittlung von Kriegsmaterial und Dienstleistungen,
die ausschliesslich kriegstechnischen Zwecken dienen, sowie dazu nötige
Finanzierungsgeschäfte sind untersagt. Die Herstellung von Kriegsmaterial
bedarf einer Bewilligung.
3 Ausfuhr, Durchfuhr und Vermittlung von Gütern und Dienstleistungen, die
sowohl für militärische wie zivile Zwecke verwendet werden können, sowie
dazu nötige Finanzierungsgeschäfte sind untersagt, falls der Erwerber diese
für kriegstechnische Zwecke verwenden will.
4 Dem Verbot unterliegen auch Umgehungsgeschäfte, insbesondere
a. Geschäfte über Niederlassungen im Ausland oder in Kooperation mit
ausländischen Firmen;
b. die Lieferung oder Vermittlung von Produktionseinrichtungen, Lizenzen und
technischen Daten, die zur Entwicklung oder Herstellung von Kriegsmaterial
und Massenvernichtungsmitteln unerlässlich sind.
5 Eine verwaltungsunabhängige Kommission des Bundes ist mit dem Vollzug
betraut. Sie ist insbesondere befugt,
a. einzugreifen, wenn der Verdacht einer Verletzung von Absatz 3 oder 4
besteht;
b. die Friedensverträglichkeit technologischer Entwicklungen zu bewerten;
c. Inspektionen und Nachkontrollen durchzuführen.
6 Die Bundesgesetzgebung regelt das Nähere. Sie kann Geschäfte nach den
Absätzen 3 und 4 einer Bewilligungs- und Meldepflicht unterstellen.
Sie stellt Verstösse gegen die Absätze 2 bis 4 unter Strafe.
Art. 41 Abs. 2, 3 und 4 aufgehoben
***************************************************************************
Beteiligung der Schweiz an Rüstungskontrollabkommen und -vereinbarungen über
Vertrauens- und Sicherheitsbildung
Abkommen In Kraft Staaten Schweiz
(Inhalt) seit (Dez.92) seit
Genfer Protokoll 1928 131 1932
(Verbot des Einsatzes von erstickenden, giftigen oder anderen Gasen)
Antarktis-Vertrag 1961 41 1990
(Nicht-Militarisierung, Nicht-Nuklearisierung der Antarktis)
Atomteststop-Vertrag 1963 119 1964
(Verbot nuklearer Tests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser)
Weltraum-Vertrag 1967 92 1969
(Verbot von Waffentests im Weltraum und auf Himmelskörpern)
Atomsperr-Vertrag 1970* 156 1977
(Verbot der Herstellung von A-Waffen bzw. deren Weitergabe)
Meeresboden-Vertrag 1972 87 1976
(Stationierungsverbot von Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresgrund
ausserhalb nationaler Gewässer)
B-Waffen-Abkommen 1975 125 1976
(Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bzw. des Erwerbs von
B-Waffen)
Umweltkriegs-Abkommen 1978 57 1988
(Verbot der militärischen oder sonstigen feindseligen Nutzung umwelt-
verändernder Techniken)
Inhumane Waffen-Konvention 1983 35 1982
(Verbotinhumaner Waffen)
Stockholmer Dokument 1986 35 1986
(Vertrauens- und Sicherheitsbildende Massnahmen (VSBM)
Wiener Dokument 90 1990 34 1990
(Vertrauens- und Sicherheitsbildende Massnahmen (VSBM)
Wiener Dokument 92 1992 52 (53) 1992
(Vertrauens- und Sicherheitsbildende Massnahmen (VSBM)
C-Waffen-Konvention frühestens 1995 ** - unterzeichnet
(Vernichtung existierender C-Waffen und Produktionsanlagen sowie Verbot der
Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes)
* Soll 1995 verlängert werden.
** Wurde im Januar 1993 in Paris unterzeichnet.
Tritt in Kraft, wenn mehr als 65 Staaten das Abkommen ratifiziert haben.
Tritt in