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1803-2003
200 Jahre Bundeskanzlei
Ein Rundgang durch die Geschichte der Bundeskanzlei

 Johann Ulrich Schiess (Kanzler 1848–1881)  
Johann Ulrich Schiess

Kanton Appenzell-Ausserrhoden, reformiert, gemässigt liberal
Geboren 21. Februar 1813 in Wald (Appenzell-Ausserrhoden)
Verstorben 6. Juli 1883 in Bern
Eidgenössischer Staatsschreiber 1847/48

Sohn eines Pfarrers und Redaktors; Schulbesuch in Basel; Studium (Jurisprudenz, Geschichte und Philosophie) in Basel, Jena, Berlin und Göttingen; Dr. phil. 1835. Danach im Kanton Appenzell-Ausserrhoden Archivar (1835), Verhörrichter (1836–1839) und Ratsschreiber (1839–1847).

Kanzlerwahl ohne Kandidatur!
In der Sonderbundskrise wurde Schiess im Juli 1847 gegen den damaligen Amtsinhaber August von Gonzenbach zum Staatsschreiber der Eidgenossenschaft gewählt. Schiess hatte gar nicht kandidiert; er erfuhr von seiner Wahl aus der Zeitung! Schiess sagte auf den 1. Januar 1848 zu. Wegen der Doppelvakanz in der Kanzlei (Kanzler AmRhyn trat im Oktober ebenfalls zurück) musste Schiess sein Amt aber schon im November 1847 antreten und amtierte gleichzeitig interimistisch bereits als Kanzler. 1848 wurde er von der Tagsatzung offiziell zum Kanzler gewählt. Im Herbst 1848 wurde Schiess von der Bundesversammlung mit 121 von 124 Stimmen unumstritten im Kanzleramt bestätigt: Zeichen seines sofort erworbenen hohen Ansehens als Staatsdiener über die Kriegsparteigrenzen hinweg. 33 Jahre lang prägte Schiess dieses Amt mit seiner Persönlichkeit.

Schwerarbeiter mit breiter Anerkennung
Schiess kam um fünf Uhr morgens ins Büro und arbeitete oft bis tief in die Nacht. Streng wie gegen sich selbst war Schiess auch gegen seine Angestellten: So soll er zuweilen Zuspätkommenden einen tüchtigen Klaps verabreicht haben oder mit dem Lineal gegen träge Angestellte vorgegangen sein. Unter seiner Leitung erlangte die eidgenössische Verwaltung internationale Beachtung. Er erhielt 1862 den Ehrendoktor der Universität Jena mit der Würdigung: "[...] dem in Amtsgeschäften erfahrensten Mann, dem überaus starken Hüter helvetischer Freiheit". Schiess wurde bekannt für die nuancierte, knappe, substantiell reichhaltige Protokollierung der Nationalratsverhandlungen und besonders der Verfassungsdiskussionen 1870–1874 sowie für ihre vollständige Herausgabe.

Politiker
Schriftstücke, die ins Ausland verschickt wurden oder von staatsrechtlicher Tragweite liess Schiess in Schönschrift besonders gediegen gestalten, was ihm und der Kanzlei im In- und Ausland viel Lob eintrug. Schiess wurde vom Bundesrat auch mit internationalen Missionen in Nachbarstaaten betraut. Nach seinem Rücktritt sass Schiess für seinen Kanton ab 1881 im Nationalrat. Auf dem Weg dorthin, wo er 33 Jahre lang Protokoll geführt hatte, erlag Schiess am 6. Juli 1883 einem Hirnschlag.