Die Wiesenotter ist bedroht: Die Schweiz zieht ihren Vorbehalt im Rahmen von CITES zurück
PRESSEMITTEILUNG / Bern, 31.5.2001
Die Wiesenotter ist bedroht:
Die Schweiz zieht ihren Vorbehalt im
Rahmen von CITES zurück
An der 6. CITES Vertragsstaatenkonferenz 1987 ist die westeuropäische
Population der Wiesenotter (Vipera ursinii) in den Anhang I von CITES
aufgenommen und damit mit einem totalen Handelsverbot belegt worden.
Die Schweiz hatte damals gegen diesen Entscheid einen fachlich
wohlbegründeten Vorbehalt eingereicht, den sie nun auf Grund der
veränderten Lebensbedingungen dieser Reptilienart zurückgezogen hat.
An der 6. CITES Vertragsstaatenkonferenz 1987 die Wiesenotter (Vipera
ursinii) 1) - und zwar nur die westeuropäische Randpopulation - in den
Anhang I 2) von CITES aufgenommen worden, obwohl sie kaum durch den
Handel, sondern viel mehr durch die landwirtschaftliche Erschliessung
der Lebensräume in Westeuropa bedroht war. Zudem war sie bereits durch
nationale Gesetze und das Berner Übereinkommen 3), sowie Massnahmen im
Verbreitungsgebiet ausreichend geschützt. Gegen eine Aufnahme in den
Anhang I sprach auch die Tatsache, dass die Art die für eine solche
Auflistung erforderlichen „Berner Kriterien“ nicht erfüllte, weil sie
in ihrem Hauptverbreitungsgebiet im Bereich der früheren Sowjetunion
in keiner Weise bedroht war. Diese Gründe veranlassten die
Fachkommission, der schweizerischen CITES Vollzugsbehörde die
Einreichung eines Vorbehaltes 4) zu empfehlen. Sie berücksichtigte
dabei ausserdem, dass durch die künstliche Aufteilung der Art in
unterschiedliche CITES Schutzstufen ein korrekter Vollzug der CITES
Bestimmungen (Identifikation an der Grenze) kaum möglich war:
Wiesenottern aus Russland lassen sich nicht von denen Westeuropas
unterscheiden und auch die Unterscheidung von anderen Viperiden
(Aspisviper, Kreuzotter) ist äusserst schwierig.
Aufgrund von Artikel XV des „Übereinkommens über den internationalen
Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen“ (CITES)
kann jede Vertragspartei innerhalb eines vorgegebenen Zeitabschnittes
von 90 Tagen einen Vorbehalt gegen beschlossene Änderungen der Anhänge
einreichen. Wie eine Reihe anderer Staaten, hat auch die Schweiz
bereits mehrfach von diesem Recht Gebrauch gemacht und auf Empfehlung
der Fachkommission unter Angabe von Gründen solche Vorbehalte
eingereicht. Sie tat dies immer im Bestreben, den Vollzug von CITES
griffig und wirksam zu erhalten und die Anhänge nicht zu zahnlosen
Artenkatalogen verkommen zu lassen. Die Vorbehalte werden deshalb
regelmässig auf der Grundlage von definierten biologischen und
Handelskriterien überprüft und wenn es die Umstände als gegeben
erscheinen lassen zurückgezogen. Dies hat die Schweiz nun in Bezug auf
die Wiesenotter (Vipera ursinii) getan.
In den vergangenen 14 Jahren haben sich die Lebensbedingungen für die
Wiesenotter nämlich entscheidend verändert. Der Handelsdruck auf die
osteuropäische Population ist - nicht zuletzt wegen der Öffnung der
Ostgrenzen - stark angewachsen, so dass die IUCN 5) heute die ganze
Art (und nicht nur die westeuropäische Population) als „gefährdet“
einstuft. Zudem lag der Fachkommission ein noch unveröffentlichtes
Manuskript einer wissenschaftlichen Untersuchung aus Ungarn vor 6),
aus der hervorgeht, dass Inzuchtprobleme in den kleinen fragmentierten
Populationen in Osteuropa die Art an gewissen Stellen ihres
Verbreitungsgebietes von der Ausrottung bedrohen. Aufgrund dieser
ungünstigen Entwicklung kam die Fachkommission Schweiz zum Schluss,
dass heute die Kriterien für die Auflistung auf den Anhang I gegeben
sind und sie empfahl der Vollzugsbehörde den seinerzeit eingereichten
Vorbehalt zurückzuziehen, obwohl die Identifikationsprobleme nach wie
vor bestehen.
Am 10. April 2001 hat das Eidg. Departement für auswärtige
Angelegenheiten (EDA) denn auch das CITES Sekretariat unterrichtet,
dass die Schweiz den Vorbehalt betreffend Vipera ursinii -216 auf den
5. April 2001 zurückgezogen hat.
Anmerkungen:
1) Vipera ursinii (Wiesen-, Spitzkopf-, oder Karstotter)
Grösse durchschnittlich 45 cm, maximal 65 cm. Vipera ursinii
(Wiesenotter) ist eine der kleinsten Giftschlangen in Europa und
SW-Asien. Sie hat einen dicken Körper mit einem kurzen Schwanz. Der
Kopf ist oval, schmal und gut abgesetzt, die Schnauze ist gerundet und
gar nicht oder nur schwach gegen oben gestülpt. Kleine Augen mit
vertikaler Pupille. Die kurzen, kielförmigen Schuppen geben der
Schlange ein rauhes Aussehen. Die Rückenfärbung ist grau, gelblich,
grünlich oder bräunlich mit einem dunklen, manchmal
diskontinuierlichen Zickzack-Muster. Der Bauch ist meist gräulich
gefärbt, manchmal mit kleinen, dunklen Flecken. Zwischen Auge und
Mundwinkel ist auf beiden Seiten des Kopfes eine dunkle Linie zu
erkennen.
Quelle:
http://www.cites.ch/artenschutz/d/vollzugshilfen/as112/viperidae/1_ind
ex.html
2) CITES Anhang I: Im Anhang I werden von der Ausrottung bedrohte
Arten aufgeführt, die durch den internationalen Handel in ihrer
Existenz zusätzlich beeinträchtigt werden könnten. Es ist
grundsätzlich verboten, mit ihnen zu handeln. Die Einfuhr in die
Schweiz ist folglich nicht gestattet. Ausnahmen (mit Bewilligung) sind
zulässig zu Zucht- und Forschungszwecken.
3) Berner Übereinkommen: Ziel dieser europäischen Konvention ist der
Schutz gefährdeter, in drei Anhängen spezifizierter Arten der Fauna
und Flora und ihrer Lebensräume
http://www.buwal.ch/inter/e/ea_bern.htm
4) CITES Vorbehalt: Die Partei gilt, was die betreffende(n) Art(en)
anbelangt als Nichtvertragsstaat und ist damit nicht an den Beschluss
gebunden.
5) IUCN: The World Conservation Union (http://www.iucn.org)
6) B. Ujvari, T. Madsen, T. Kotenko, M. Olsson, R. Shine, H. Wittzell
: „Low genetic diversity threatens imminent extinction for the
Hungarian Meadow Viper (Vipera ursinii rakosiensis)“
Auskünfte:
Thomas Althaus, Bewilligungen und Kontrollen, Tel: 031 323 85 08