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Pressemitteilung

Schweiz - EU: neue bilaterale Verhandlungen

In seinen letzten Sitzungen hat der Bundesrat die Lage in Bezug auf die Eröffnung neuer bilateraler Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) analysiert. Er hat sich einen Überblick über die Bereiche verschafft, die geeignet sind, zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht zu werden. Zudem hat er über den einzuschlagenden Weg entschieden.

Vor der Sommerpause sind die Bundesräte Joseph Deiss, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und Pascal Couchepin, Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD), in Brüssel mit mehreren Vertretern der Kommission zusammengetroffen, darunter auch mit dem Kommissionspräsidenten, Herr Romano Prodi. Mehrere Bereiche kommen als mögliche Themen für eine neue Verhandlungsrunde in Betracht. Es handelt sich insbesondere um die sogenannten "Überbleibsel (left overs)", mit anderen Worten: diejenigen Fragen, für welche die EU und die Schweiz in den Schlussakten der bilateralen Abkommen ihre Verhandlungsabsicht erklärt haben: Dienstleistungen, Besteuerung der Pensionen ehemaliger Bediensteter der EU-Institutionen, verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Bildung, Jugend, Medien, Statistik und Umwelt; zudem Themen wie die innere Sicherheit, die Betrugsbekämpfung oder die Zinsbesteuerung.

 

Zeitplan

Wie mit der Kommission im Juli vereinbart wurde, muss vor Beginn von Verhandlungen eine Gesamtschau durchgeführt werden. Es ist wichtig, dass sich die Schweiz und die EU auf eine Liste von Themen einigen, auf welche die Parteien bereit sind, einzutreten. Die beiden Parteien müssen sich ebenfalls über den Rahmen verständigen, der den künftigen Verhandlungsablauf abdeckt. Diese Gesamtschau soll demnächst abgehalten werden.

Anschliessend wird es darum gehen, gemäss dem üblichen Vorgehen informelle Vorgespräche in jedem Verhandlungsbereich zu führen, bevor die eigentliche Verhandlungseröffnung erfolgen kann. Diese Vorgespräche werden auf Expertenebene stattfinden. Nach diesen Vorgesprächen wird der Bundesrat über ein Verhandlungsmandat für jeden vereinbarten Bereich entscheiden und den verantwortlichen Unterhändler des jeweiligen Bereichs bestimmen.

Sodann können die Verhandlungen gleichzeitig eröffnet und geführt werden. Der Bundesrat wird einen Koordinator für die Gesamtheit der Verhandlungen bestimmen. Dieser wird die Aufgabe haben, die Gesamtsicht über den Verlauf der Arbeiten zu sichern.

Im Laufe der gestrigen Sitzung hat der Bundesrat insbesondere die Fragen bezüglich des Bereichs Justiz und innere Angelegenheiten behandelt sowie jene über die Betrugsbekämpfung und die Zinsbesteuerung.

 

2. Justiz und innere Angelegenheiten

Der Bundesrat strebt eine Verbesserung der inneren Sicherheit der Schweiz an. Die Kooperation mit der Europäischen Union (EU) bildet hierzu ein wichtiges Element. Er hat deshalb am Mittwoch über die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit der EU im Bereich Justiz und Inneres beraten. Im Hinblick auf bevorstehende Gespräche mit der EU hat der Bundesrat die zuständigen Departemente mit der Beurteilung möglicher Auswirkungen betraut.

Die Zunahme der Organisierten Kriminalität und des Kriminaltourismus sowie die Professionalisierung der Delinquenten rufen nach einer Intensivierung der internationalen Kooperation. Das gilt auch für die Bekämpfung der illegalen Migration. In all diesen Bereichen ist die EU für die Schweiz der wichtigste Partner. Ziel ist es, das Sicherheitsdispositiv der Schweiz durch die Einbettung in den Sicherheitsraum der EU zu verstärken.

Die Vertiefung der Kooperation mit der EU steht in engem Zusammenhang mit der Überprüfung des Systems Innere Sicherheit der Schweiz (USIS), die zur Zeit im Gang ist. Ziel dieses Projektes, das unter der gemeinsamen Leitung des EJPD wie der Kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren steht, ist es, dem Bundesrat Anträge zur künftigen Ausgestaltung der Inneren Sicherheit zu unterbreiten.

Die bisherige Kooperation mit EU-Staaten beruht schwergewichtig auf der Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten. Als Nicht-Mitglied der EU schloss die Schweiz in den letzten Jahren mit sämtlichen Nachbarstaaten bilaterale Polizeizusammenarbeits- und Rückübernahmeabkommen ab. Bezüglich Inkrafttreten präsentiert sich der Stand heute wie folgt:

* Polizeikooperation: Italien: 1. 5. 2000; Frankreich: 1. 10. 2000; Deutschland und Österreich/Liechtenstein: Inkrafttreten voraussichtlich erste Hälfte 2001.

* Rückübernahme. Deutschland: 1. 2. 1994; Frankreich: 1. 3. 2000; Italien: 1. 5. 2000; Österreich und Liechtenstein: Inkrafttreten nach Ablauf der Referendums-Verfahrens in Liechtenstein, voraussichtlich bis Ende 2000.

Darüber hinaus wurde mit den Nachbarstaaten die so genannte Alpensicherheitspartnerschaft vereinbart. Der Prozess wurde anlässlich des informellen Treffens der Innenminister im August 1999 auf dem Bürgenstock in Gang gesetzt und im vergangenen August in Konstanz konkretisiert. Im Rahmen dieser Partnerschaft werden Massnahmen zu einem besseren Informationsaustausch in die Wege geleitet.

Die Kooperation mit der EU und ihre Grenzen

Die Kooperation mit den Nachbarstaaten ist für die Schweiz von grosser Bedeutung. Um aber die innere Sicherheit besser zu gewährleisten, ist auch eine vertiefte

Zusammenarbeit mit der EU notwendig. Mit dem Vertrag von Amsterdam (in Kraft seit 1. 5. 1999) strebt die Europäische Union die Schaffung eines einheitlichen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts an. Nichtmitglieder wie die Schweiz sind von dieser Entwicklung der EU (Schengener Acquis, Dubliner Erstasylabkommen) weitgehend ausgeschlossen, was ihre Position deutlich schwächt. Vor allem der Ausschluss vom Schengener Informationssystem erweist sich zunehmend als Nachteil. Die angestrebte künftige Zusammenarbeit mit der EUROPOL kann diesen Nachteil nur teilweise aufwiegen.

Einer direkten Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der EU, der ausser Liechtenstein alle Nachbarstaaten angehören, setzt das Schengener Abkommen von vornherein Grenzen. Andere europäische und globale Plattformen, wie Europarat oder Haager Konferenz, an denen die Schweiz beteiligt ist, werden dadurch teilweise überlagert und verlieren an Einfluss. Die Schweiz läuft dadurch Gefahr, zur Drehscheibe der illegalen Migration, der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus zu werden.

Verstärkung des Sicherheitsdispositivs

Die Annäherung an den entstehenden europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist für die Schweiz eine grosse Herausforderung, welche die Überprüfung und gegebenenfalls Umgestaltung der Personenkontrolle an der Grenze erforderlich macht. Das Projekt USIS beinhaltet deshalb unter anderem die Entwicklung eines Konzeptes für eine solche Umgestaltung und die künftigen Aufträge des Grenzwachtkorps. Im Rahmen der Neukonzeption wird dem Grenzwachtkorps eine wichtige Rolle zukommen. Aus den angestrebten Gesprächen mit der EU werden wichtige Rückschlüsse für USIS erwartet.

Eine Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit wird auch im Hinblick auf die Umsetzung der "Effizienzvorlage" benötigt. Diese ist darauf ausgerichtet, in den nächsten Jahren die schweizerischen Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität, der Geldwäscherei, der Korruption und der schweren Wirtschaftskriminalität auf Bundesebene zu konzentrieren und dadurch effizienter zu gestalten.

 

3. Finanzielle Fragen

Betrugsbekämpfung

Die EU sucht eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Schweiz, um jene Delikte zu bekämpfen, welche ihren finanziellen Interessen Schaden zufügen (z.B. Zigarettenschmuggel). Sie wünscht die Möglichkeiten der Amts- und Rechtshilfe mit unserem Land zu erweitern. Die Schweiz will auf ihrem Staatsgebiet keinen deliktischen Aktivitäten Schutz bieten und ist diskussionsbereit. Verhandlungen würden insbesondere erlauben, die zur Lösung dieser Fragen geeigneten Massnahmen zu ergreifen. Der Bundesrat hat Kenntnis genommen von den möglichen Verbesserungen der gegenwärtigen Rechts- und Amtshilfe.

Zinsbesteuerung

Der Bundesrat hat verschiedentlich unterstrichen, dass die Schweiz kein Interesse hat, Transaktionen anzuziehen, die nur zum Ziele hätten, eine europäische Regelung zu umgehen. Die Schweiz ist bereit, im Rahmen ihrer Rechtsordnung nach Möglichkeiten zu suchen, diese Art von Finanztransaktionen zu bekämpfen. Dies allerdings unter der Bedingung, dass die EU ein effizientes System zur Besteuerung der Gesamtheit der überwiesenen Zinsen einführt. Dieses System muss zudem nicht nur auf die EU-Mitgliedstaaten und auf ihre assoziierten Gebiete anwendbar sein, sondern auch auf die wichtigsten Finanzzentren ausserhalb der EU. Die Einführung eines Informationssystems wird indessen nicht in Betracht gezogen. Auf diese Weise drückt der Bundesrat klar aus, dass das Bankgeheimnis nicht verhandelbar ist.

Andere Punkte

Weitere Fragen, wie Finanzdienstleistungen und Doppelbesteuerung, wären bei dieser Gelegenheit auch zu regeln.

SCHWEIZERISCHE BUNDESKANZLEI

Information

Lugano, 16. November 2000