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Wertvolle Grundlage für künftige Sicherheitspolitik der Schweiz

3003 Bern, 26. Februar 1998

Pressemitteilung

Im Beisein von Bundesrat Ogi, Generalstabschef Scherrer und Heereschef Dousse
präsentierte Botschafter Brunner den Bericht der Studienkommission für
strategische Fragen

Wertvolle Grundlage für künftige Sicherheitspolitik der Schweiz

Die Schweiz sollte sich als Ausdruck ihrer Solidarität in vermehrtem Mass aktiv
zugunsten des Friedens in der Welt engagieren. Sie sollte mit ihren Nachbarn
sowie  Organisationen, die dem Frieden dienen, stärker als bislang
zusammenarbeiten, um supranationalen Gefahren und Bedrohungen besser begegnen
zu können. Und sie sollte ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen laufend der
Bedrohungslage anpassen: Dies sind die Schlussfolgerungen, welche die von
Botschafter Edouard Brunner geleitete Studienkommission für strategische Fragen
aus ihren Analysen, Diskussionen und Experten-Befragungen gezogen hat. Brunner
präsentierte den Bericht am Donnerstag, 26. Februar 1998, an einer
Medienorientierung in Bern. Der Chef des Eidgenössischen Departements für
Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), Bundesrat Adolf Ogi, würdigte
das 27-seitige Dokument in einer ersten Beurteilung als wertvolle Grundlage für
die Ausrichtung der künftigen schweizerischen Sicherheits- und Militärpolitik.
Der Bericht wird nun bis zum Sommer in eine breite Konsultation gegeben.

Die Studienkommission für strategische Fragen kommt zum Schluss, der Schweiz
drohe heute keine direkte konventionelle Aggression mehr. Es tauchten jedoch
andere Gefahren und Bedrohungen auf oder seien bereits Realität: Terrorismus,
organisiertes Verbrechen, Proliferation von ABC-Waffen, technische Katastrophen
usw. Diese Lageanalyse zwingt uns, unsere Sicherheitspolitik auf die neue
Wirklichkeit abzustimmen, schliesst Botschafter Edouard Brunner daraus. Davon
ist nicht zuletzt auch die Armee betroffen. Einerseits müssten deren Bestände
an Personal und Waffen verringert und anderseits die Investitionen dort erhöht
werden, wo es die neue Bedrohungslage erfordere.

Wenn wir unsere Sicherheit fortan besser gewährleisten wollen, ist
Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn sowie den atlantischen und europäischen
Organisationen notwendig, heisst es in dem Bericht. Gegen manche Gefahren
könnten wir uns nicht im Alleingang schützen. Die Kommission begrüsst, dass der
Bundesrat den Beitritt zur EU zum strategischen Ziel erklärt und durch die
Partnerschaft für den Frieden einen Weg zur Kooperation mit der NATO gefunden
hat: Je aktiver unsere Rolle ist, umso besser können wir unsere Meinung
einbringen und unsere Interessen wahren.

Schweizer Solidaritätskorps

Die Schweiz müsse ihre Solidarität im Ausland verstärken, findet die Kommission
sodann. Wir empfehlen daher die Bildung eines zum Selbstschutz bewaffneten
Solidaritätskorps als Bestandteil der Armee. Dieses Korps, bestehend aus
Sanitätseinheiten, Logistik- und Transportverbänden, Spezialisten für
Minenräumung, Inspektoren im Bereich nukleare, biologische und chemische Waffen
sowie weiteren Fachleuten, soll im Ausland für Rettungs- und Friedensaktionen
und zur Unterstützung ziviler Behörden zum Einsatz gelangen. Diese Aufgaben
sind laut Botschafter Brunner mit unserer Verfassung vereinbar.

Die Neutralität werde, so die Kommission weiter, im Ausland wie auch im Inland
immer stärker hinterfragt. Sie habe aber ihren Platz im kollektiven Bewusstsein
der Schweizerinnen und Schweizer, weshalb sie weiterhin flexibel und
pragmatisch anzuwenden sei. Die Neutralität - in der Vergangenheit stets ein
Mittel zur Wahrung unserer Interessen und nie Selbstzweck - darf aber
keinesfalls unsere Sicherheit beeinträchtigen, betont Brunner. Im weiteren sei
auch die Milizarmee beizubehalten, wenngleich zahlenmässig reduziert und durch
professionelle Verbände ergänzt. Die Organisation des Zivilschutzes sollte
gemäss Bericht weitgehend den Kantonen übertragen und der Bestand massiv
verkleinert werden.

Sieben Bausteine - drei Phasen

Bundesrat Ogi nannte den Bericht in seiner ersten Würdigung eine wertvolle
Projektskizze für ein neues sicherheitspolitisches Gebäude der Schweiz. Er
griff dabei sieben Bau-steine heraus: die zwingende Abstützung der
Sicherheitspolitik im Volk, die Erhaltung einer langfristigen
Verteidigungsfähigkeit, die Ausschöpfung des Handlungsspielraums bei der
Neutralitätspolitik, die Konsequenzen der inneren Sicherheit für die Armee, die
Professionalisierung von Teilbereichen der Armee unter grundsätzlicher
Beibehaltung des Mi-lizsystems, das föderalistische Prinzip beim Zivilschutz
und bei der Gesamtverteidigung sowie die Führung auf höchster Ebene beim
Krisenmanagement. Gleichzeitig gab der VBS-Chef die drei Phasen bis zur Armee
200X bekannt: breite Diskussion des Berichts Brunner (bis Sommer 1998),
Ausarbeitung eines neuen sicherheitspolitischen Berichts des Bundesrats
(1999-2000), danach Erstellung eines neuen Armeeleitbildes und Revision des
Militärgesetzes.

Von der Strategie über die Doktrin zur Armeeorganisation, formulierte
Generalstabschef Hans-Ulrich Scherrer stichwortartig seinen Grundsatz für die
Planung der Armee 200X. Am Anfang brauche es eine strategische Vision, die
ihrerseits als zentralen Baustein eine klare Doktrin haben müsse - mit Aufgaben
und Zielen der Armee, basierend auf dem Bedrohungsbild. Erst auf dieser
Grundlage lasse sich die künftige Schweizer Armee ausgestalten. Bis es so weit
sei, liege das Schwergewicht bei der Verbesserung der heutigen Strukturen und
bei einer optimierten Ausbildung der Armeeangehörigen, erklärte der Chef Heer,
Kkdt Jacques Dousse. Gleichzeitig unterstrich er, die Qualität der Ausbildung
werde auch für die Glaubwürdigkeit der Armee 200X von zentraler Bedeutung sein.

 Zunächst breite Konsultation

Bundesrat Ogi hatte Botschafter Brunner im Sommer 1996 beauftragt, an der
Spitze eines rund 40-köpfigen Teams sicherheits- und militärpolitische
Leitideen für die Schweiz nach der Jahrtausendwende auszuarbeiten. Die
Kommission sollte also weder einen neuen Sicherheitsbericht noch ein neues
Armeeleitbild verfassen, sondern einen Blick auf die nächsten 20 bis 25 Jahre
werfen, dabei denkbare politische, militärische und gesellschaftliche
Entwicklungen herauskristallisieren und Konsequenzen für die Schweiz aufzeigen.

Ihre Schlussfolgerungen sollen in die Ueberlegungen auf dem Weg zur Armee 200X
ein-fliessen. Die operative Umsetzung der politischen Vorgaben in einen
militärischen Auftrag beziehungsweise in militärische Strukturen wird Aufgabe
des VBS und der Armeeführung, des Bundesrats, des Parlaments und allenfalls von
Volk und Ständen sein. Zuvor jedoch lässt Bundesrat Ogi den Bericht in eine
breite Konsultation geben, während der sich alle interessierten Personen und
Institutionen zu den Leitideen der Kommission Brunner äus-sern können.