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Eine neue Verfassung für den 150jährigen Bundesstaat

Pressemitteilung

Eine neue Verfassung für den 150jährigen Bundesstaat

Der Bundesrat verabschiedet die Botschaft zur Verfassungsreform

Am Mittwoch hat der Bundesrat die Botschaft zur Reform der Bundesverfassung
verabschiedet und dem Parlament zusammen mit dem Entwurf des neuen
Verfassungstextes unterbreitet. Es liegt nun in der Hand der Bundesversammlung,
die neue Verfassung auf das Jubiläum des 150-jährigen Bundesstaates im Jahr
1998 hin durchzuberaten und zu verabschieden.
Mit seinem Beschluss hat der Bundesrat einen entscheidenden Meilenstein auf dem
Weg zu einer neuen Bundesverfassung gesetzt: Nach 30 Jahren Vorarbeit von
Expertenkommissionen und Verwaltung, nach mehrmaliger Befragung aller
interessierten Kreise, nach den Grundsatzentscheiden des Parlaments aus den
Jahren 1987 und 1994 ist ein wichtiges Zwischenziel erreicht.
Die 30jährige Entstehungsgeschichte
Die Vorarbeiten haben mehrere Etappen durchlaufen: Die Motionen Obrecht und
Dürrenmatt aus dem Jahre 1965 luden den Bundesrat ein, eine Totalrevision der
Bundesverfassung gründlich vorzubereiten. Die Arbeitsgruppe Wahlen
unterbreitete allen gesellschaftlichen Gruppen einen ausführlichen
Fragenkatalog und wertete die Resultate 1973 in einem Schlussbericht aus.
Darauf gestützt erarbeitete die Expertenkommission Furgler einen vielbeachteten
Verfassungsentwurf samt Begleitbericht (1977). Der Entwurf wurde 1978/79 in ein
breites Vernehmlassungsverfahren gegeben, das ein grosses Echo auslöste. Die
Reformbedürftigkeit der Bundesverfassung wurde zwar klar anerkannt, aber die
Reformvorschläge waren zum Teil umstritten, weshalb der Bundesrat die neue
Verfassung nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Eidgenössischen Räte
entwerfen wollte. Aus diesem Grund legte er der Bundesversammlung 1985 einen
ausführlichen Bericht über die bisher geleisteten Arbeiten vor und beantragte
ihr, die Totalrevision zu beschliessen. Das Parlament erteilte dem Bundesrat am
3. Juni 1987 den Auftrag, einen Entwurf vorzulegen. Dieser sollte folgende
Leitlinien beachten: das geltende geschriebene und ungeschriebene
Verfassungsrecht nachführen, es verständlich darstellen, systematisch ordnen
sowie Dichte und Sprache vereinheitlichen.
Erfolgreiche Vernehmlassung
Wegen der Verhandlungen über das EWR-Abkommen wurden die Vorarbeiten eine
Zeitlang zurückgestellt. Nach dem negativen Ausgang der EWR-Abstimmung
beschloss der Bundesrat jedoch die Wiederaufnahme der Arbeiten, um zunächst die
notwendigen Reformen im Innern zu verwirklichen. Die Bundesversammlung hiess
1994 eine Motion von Ständerätin Josy Meier gut mit dem Ziel, die
Revisionsarbeiten so voranzutreiben, dass die Eidgenössischen Räte 1998 zum
Jubiläum des Bundesstaates eine neue Verfassung verabschieden können. Der
Bundesrat beschIoss, die Reform nicht mehr in einem einzigen Reformakt
anzugehen, sondern nach dem neuen Konzept Verfassungsreform als Prozess. Danach
soll zuerst die Basis geschaffen werden: das geltende Verfassungsrecht, so wie
es heute gelebt und verstanden wird, in der Sprache unserer Zeit formuliert.
Gleichzeitig sollen jedoch auch ganze Reformbereiche in Form von Reformpaketen
angegangen werden. Im Juli 1995 eröffnete der Bundesrat zu seiner Vorlage das
Vernehmlassungsverfahren und eine breite Volksdiskussion. Zu beurteilen waren
neben dem Entwurf einer nachgeführten Bundesverfassung auch Reformvorschläge im
Bereich der Volksrechte und der Justiz. Das Echo war ausserordentlich breit:
Über 11 000 Privatpersonen und rund 550 Organisationen meldeten sich mit
kürzeren oder längeren Stellungnahmen. Die grosse Mehrheit von ihnen erachtete
es als sinnvoll und notwendig, die Verfassung à jour zu bringen und
schrittweise Reformen in einzelnen Bereichen zu verwirklichen.
Mehr Transparenz
Die Vernehmlassungsergebnisse haben das Reformkonzept des Bundesrates
bestätigt: Die Verfassungsreform soll deutlich machen, was heute als gelebte
Verfassungswirklichkeit und verbindliches Verfassungsrecht gilt. Die
bestehenden Lücken im Verfassungstext sollen geschlossen, die Gliederung und
die Sprache verbessert, die Bestimmungen einheitlich geregelt und das
Verfassungsrecht der Wirklichkeit angepasst werden. Damit schafft die
Verfassungsreform mehr Transparenz, was für das gute Funktionieren der
staatlichen Institutionen und für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in
den Staat unerlässlich ist. Zudem schlägt die Verfassungsreform Neuerungen vor.
Namentlich im Bereich der Behörden und der Volksrechte sind Reformen notwendig,
um die Handlungsfähigkeit des Staates mit Blick auf die Herausforderungen der
Zukunft zu sichern.
Ausgehend von diesen Zielen umfasst die Botschaft über die Reform der
Bundesverfassung drei Vorlagen: einen Bundesbeschluss über eine nachgeführte
Bundesverfassung (Vorlage A), einen Bundesbeschluss über die Reform der
Volksrechte (Vorlage B) und einen Bundes-beschluss über die Reform der Justiz
(Vorlage C). Die Verfassungsreform verbindet somit die Nachführung des
geltenden Verfassungsrechts mit Reformen in zwei Bereichen. Sie verzichtet auf
eine umfassende Gesamtreform, ist aber als offener Prozess konzipiert, der den
Einbezug weiterer Reformbereiche (z. B. Parlamentsreform oder Reform des
Finanzausgleichs) ermöglicht.
Auftrag der Bundesversammlung erfüllt
Die Vorlage A erfüllt den Auftrag der Bundesversammlung aus dem Jahre 1987. Der
Entwurf einer nachgeführten Bundesverfassung macht die Wesensmerkmale unseres
Staates (Volksrechte, Rechtsstaatlichkeit, Föderalismus, Sozialstaatlichkeit)
deutlich und trägt der Entwicklung des Verfassungsrechts Rechnung. Diese hat zu
einem erheblichen Teil ausserhalb des Verfassungstexts stattgefunden: die
Rechtsprechung des Bundesgerichts, die Praxis von Bundesversammlung und
Bundesrat und zahlreiche völkerrechtliche Normen, welche für die Schweiz
verbindlich sind, haben das Verfassungsrecht in den letzten Jahrzehnten
entscheidend mitgeprägt. Ganz besonders gilt dies für die Entwicklung der
Grundrechte und für die allgemeinen Grundsätze staatlichen Handelns. Es trifft
aber auch zu für das Verhältnis von Bund und Kantonen sowie für das
Zusammenwirken und die Zuständigkeiten der verschiedenen Bundesbehörden.
Der neue Verfassungstext vermeidet Details. Er ist trotz Aufnahme des
ungeschriebenen Verfassungsrechts ein Drittel kürzer als die geltende
Bundesverfassung. Die klare Gliederung und die verständliche Sprache sollen
dazu beitragen, dass die Bundesverfassung wieder bürgernah und lesbar wird.
Reform der Volksrechte
Die Vorlage B enthält ein ausgewogenes Paket von Reformvorschlägen für die
Volksrechte. Ziel dieser Reformvorschläge ist weder ein Abbau noch ein
einseitiger Ausbau der direkt-demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Die
Vorschläge wollen dazu beitragen, dass die Volksrechte vor allem dort zum
Tragen kommen, wo es um Wichtiges und Grundlegendes geht. Sie verfeinern und
ergänzen die Volksrechte und berücksichtigen die zunehmende Bedeutung des
internationalen Rechts. Letztlich geht es darum, unsere direkt Demokratie auch
für das nächste Jahrhundert funktionsfähig zu erhalten. Als bedeutsame
Neuerungen werden namentlich vorgeschlagen:
- die Einführung der allgemeinen Volksinitiative, mit der Änderungen von
Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen verlangt werden können
- die Einführung des Verwaltungs- und Finanzreferendums
- die Ausdehnung des Staatsvertragsreferendums, verbunden mit der Möglichkeit,
die Genehmigung von Staatsverträgen zusammen mit den entsprechenden
Gesetzesänderungen der Abstimmung zu unterbreiten
- ein Initiativrecht für 8 Stände
- die Zuständigkeit des Bundesgerichts, in Zweifelsfällen über die Gültigkeit
von Volksinitiativen zu entscheiden
- die Möglichkeit, Alternativtexte vorzulegen und zwei Volksinitiativen
gleichzeitig zur Abstimmung zu unterbreiten
- die differenzierte Erhöhung der Unterschriftenzahlen.
Entlastung des Bundesgerichts
Die Vorlage C will vor allem die Funktionsfähigkeit des Bundesgerichts
sicherstellen, die durch Überlastung und sachfremde Aufgaben beeinträchtigt
ist. Zudem gilt es, den Rechtsschutz in allen Bereichen zu gewährleisten. Um
diese Ziele zu erreichen, könnte das Bundesgericht durch richterliche
Vorinstanzen und durch Zugangsbeschränkungen entlastet werden. Vorgesehen ist
im weiteren auch die Verbesserung des Rechtsschutzes durch die Einführung einer
allgemeinen Rechtsweggarantie. Eine besonders bedeutsame Neuerung stellt der
Ausbau der Verfassungsgerichtsbarkeit dar: In Zusammenhang mit einem
Anwendungsakt soll das Bundesgericht künftig prüfen können, ob ein Bundesgesetz
oder ein allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss gegen verfassungsmässige Rechte
oder gegen Völkerrecht verstösst. Damit wird eine bedeutende Lücke im
Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger geschlossen. Und schliesslich stellt
die Vorlage zur Reform der Justiz auch die erforderlichen Verfassungsgrundlagen
für eine Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozessrechts bereit.
Die Vorlagen zur Nachführung des geltenden Verfassungsrechts und zu den beiden
Reformbereichen werden dem Parlament gleichzeitig unterbreitet. Es handelt sich
aber um separate Vorlagen, über die auch separat abgestimmt werden soll. Dabei
kann vorläufig offen bleiben, ob die Vorlagen gleichzeitig oder allenfalls
zeitlich gestaffelt zur Abstimmung unterbreitet werden.
Dies hängt vom Gang der parlamentarischen Beratung ab.

21. November 1996
EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst

Folgende Publikationen zur Botschaft über eine Bundesverfassung können
schriftlich (bitte, eine an sich selbst adressierte Selbstklebeetikette
beilegen) bestellt werden bei der Eidgenössischen Drucksachen- und
Materialzentrale, 3000 Bern: -  Broschüre (24 Seiten) Botschaft im Überblick
mit Verfassungsentwurf 1996 ( d, f, i ab 28.11. 1996), Bestellnummer: 407.822
d, f oder i (kostenlos)-  Verfassungsentwurf 1996 (d, f, i ab 28.11. 1996,
rätoromanisch ab 3.1.1997), Best.Nr.: 407.823 d, f ,i oder rg (kostenlos)-
Separatdruck Botschaft über eine neue Bundesverfassung (ca. 650 Seiten; d, f, i
ab 20.12.1996), Bestellnummer:   407.824 d, f oder i (reduzierte Gebühr: 20
Fr.)-  Internet: http://www.admin.ch/ejpd/d/bj/bve96/index.html (erste
Dokumente ab Samstag, 23.11.1996)