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CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

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Justizministerkonf. Bukarest


Konferenz der europäischen
Justizminister
5. - 7 Juni 1995, Bukarest

Die Rolle der Justizminister bei der
Koordination des Gesetz-
gebungsprozesses und bei der
internationalen Zusammenarbeit

Adresse von Bundesrat Arnold Koller,
Vorsteher des Eidg. Justiz- und
Polizeidepartementes
______________________________________

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Ich möchte unserem rumänischen
Kollegen, Herr Chiuzbaian, für seinen
wertvollen Bericht danken. Die
Vermittlung des rechtsstaatlichen
Erbes ist eine wichtige Aufgabe,
welche die Konferenz der europäischen
Justizminister in den osteuropäischen
Staaten unterstützen muss.

Unser Gastgeber, Herr Chiuzbaian, ist
in seinem Bericht auf eine Vielzahl
unterschiedlicher Aspekte der Thematik
eingegangen. Ich möchte aus seinen
Ausführungen lediglich drei Elemente
herausgreifen und dazu aus
schweizerischer Sicht gewisse
(ergänzende) Akzente setzen.

1.	Zur besonderen Verantwortung der
Justizminister für die Qualität der
Gesetzgebung

In den meisten europäischen Staaten
tragen wir Justizminister eine
besondere Verantwortung für die
Qualität der gesamten Gesetzgebung.
Dies gilt auch für die Schweiz, wo
mein Ministerium bei der Erarbeitung
aller rechtsetzenden Erlasse mitwirkt.
Es übt dabei in erster Linie eine
Rechtmässigkeitskontrolle der
Erlassentwürfe aller Ministerien - und
aller Normstufen (Verordnungen,
Gesetze, Verfassungsbestimmungen) -
aus. Zudem trägt es eine
Mitverantwortung für die formelle
Gestaltung der Erlasse. Und
schliesslich leistet es auch einen
Beitrag zur Erarbeitung der normativen
Inhalte. Denn einerseits befasst es
sich im Einzelfall auch mit den
vorgeschlagenen materiellen
Regelungskonzepten, und anderseits ist
es allgemein zuständig für die
legistische Ausbildung. Im Rahmen
seiner Ausbildungstätigkeit legt es
dabei besonderes Gewicht auf die
methodische Erarbeitung der normativen
Inhalte.

Die Sicherung der Qualität der
Gesetzgebung ist ein Gebot der
Rechtsstaatlichkeit. Die präventive
Kontrolle, welche wir in den
Justizministerien in diesem
Zusammenhang ausüben, bildet ein
komplementäres Element zur notwendigen
Ueberprüfung der Gesetzgebung durch
unabhängige Gerichte. Aus diesem Grund
legt die Schweiz grossen Wert nicht
nur auf die legistische Ausbildung,
sondern auch auf eine unabhängige
Justiz. Es ist eine besondere Aufgabe
der älteren Mitgliedstaaten des
Europarates, den osteuropäischen
Staaten beim Aufbau einer unabhängigen
Justiz behilflich zu sein.

Ganz besondere Bedeutung kommt der
Qualität der Gesetzgebung in einem
politischen System zu, in dem - wie in
der Schweiz - die Bürgerinnen und
Bürger über direkte Mitwirkungsrechte
in der Gesetzgebung verfügen und
Gesetze somit der direkt-
demokratischen Legitimierung bedürfen.

Diese direkt-demokratischen
Mitwirkungsrechte verlangen eine
bürgernahe, verständliche
Gesetzgebung. Nur wenn die Erlasse
diese Anforderungen erfüllen, ist eine
optimale demokratische Meinungsbildung
überhaupt möglich. Die Verpflichtung,
die daraus für die legistische Arbeit
resultiert, ist sehr heilsam. Sie
zwingt zur Zurückhaltung, d.h. zur
Beschränkung auf notwendige Erlasse,
zur Sorgfalt und zur Einfachheit.
Gerade im Hinblick auf das letzte
Kriterium sind meines Erachtens die
grossen privatrechtlichen
Kodifikationen nach wie vor gültige
Vorbilder und Orientierungsmuster, auf
die man sich in der modernen
Gesetzgebung ausrichten sollte, auch
wenn dies in vielen Bereichen des
öffentlichen Rechts ausserordentlich
schwierig ist.

2.	Zur zunehmenden Verflechtung des
nationalen und des internationalen
Rechts

Ein zweiter Aspekt, auf den ich kurz
eingehen möchte, ist die immer
stärkere Durchdringung der nationalen
Rechtsordnungen durch das
internationale Recht. Dies gilt nicht
nur für die Mitgliedstaaten der EU,
obwohl diese Problematik für sie wohl
besonders bedeutsam ist.

Aus der Sicht der Schweiz wirft diese
Internationalisierung des Rechts und
der Gesetzgebung eine ganze Reihe von
Fragen auf, die ich hier lediglich
antönen kann.

Auf der einen Seite stellt sich
natürlich auch für uns die Frage des
Verhältnisses zwischen Landesrecht und
Völkerrecht. Unser rumänischer Kollege
hat die Vorrangsproblematik
angesprochen. Ich bin überzeugt, dass
die zunehmende Bedeutung des
internationalen Rechts dazu führen
muss, dass diese - zweifellos sehr
heikle - Problematik in den nationalen
Rechtsordnungen klar und explizit
geregelt wird, auch wenn dies auf
gewisse politische Widerstände stösst.
Die notwendige Transparenz und
Sicherheit des Rechts machen diesen
Schritt m.E. längerfristig
unausweichlich, was allerdings
keineswegs ausschliesst, dass bei der
Regelung der Konsequenzen des
Vorrangsgrundsatzes die den
spezifischen institutionellen
Gegebenheiten jedes Landes
entsprechenden Differenzierungen (und
Relativierungen) vorgenommen werden
können.

Auf der andern Seite rückt die
Internationalisierung des Rechts
gerade in der Schweiz Fragen der
demokratischen und föderalistischen
Mitwirkung im Bereich der
Aussenpolitik und speziell im Vorfeld
des Abschlusses internationaler
Verträge in den Vordergrund. Nicht nur
das Parlament, sondern auch die
Kantone fordern heute nachdrücklich
verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten
bei der Ausarbeitung und beim
Abschluss von völkerrechtlichen
Verträgen. Der geforderte Ausbau der
demokratischen und föderalistischen
Mitwirkungsmöglichkeiten macht die
Aussenpolitik wohl nicht einfacher.
Manche sehen darin eine Einschränkung
der staatlichen Handlungsfreiheit.
Dieser Ausbau führt aber auch zu einer
besseren politischen Abstützung des
internationalen Rechts, was
längerfristig zweifellos ein Gewinn
ist. In diesem Sinne erachte ich die
Erweiterung der demokratischen und
föderalistischen
Mitwirkungsmöglichkeiten in diesem
Bereich als durchaus positiv.

3.	Der Kampf gegen das organisierte
Verbrechen

Der letzte Problemkreis, zu dem ich
mich kurz äussern möchte, ist der
Kampf gegen das organisierte
Verbrechen, das zur Zeit wohl die
grösste Gefährdung unseres
demokratischen Rechtsstaates
darstellt. Sie wissen, dass die
Schweiz diesem Anliegen grosse
Bedeutung beimisst und die
internationale Kooperation in diesem
Bereich nachdrücklich unterstützt. Ich
bin überzeugt, dass Erfolge im Kampf
gegen die organisierte Kriminalität
ein konzertiertes Vorgehen aller
Staaten erfordern. Gleichzeitig
erachte ich es aber als unerlässlich,
auch die innerstaatlichen Instrumente
einer wirksamen Bekämpfung der
organisierten Kriminalität zu
verbessern. Wir stehen hier in einem
Wettrennen mit der Zeit. Um Zeit zu
gewinnen, ist die Schweiz etappenweise
vorgegangen: Sie hat Ende der 80er
Jahre begonnen, wichtige Normen im
Bereich der Wirtschaftskriminalität zu
erlassen. Den Beginn machte 1989 eine
Insider-Strafnorm. 1990 wurde dann
eine Bestimmung über die Gelwäscherei
geschaffen, und drei Jahre später kam
eine Norm gegen das organisierte
Verbrechen hinzu, die der Schweiz die
Beschlagnahme krimineller Gelder
erleichtert.

Zur Zeit geht es vor allem um den
Vollzug, die Implementation dieser
Bestimmungen. Dabei ist die
internationale Zusammenarbeit
unabdinglich. Ebenfalls notwendig ist
aber, was die Schweiz anbelangt, auch
der Abbau gewisser föderalistischer
Erschwernisse.

Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.