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Kindeswohl soll im Zentrum der medizinisch

Pressemitteilung

Kindeswohl soll im Zentrum der medizinisch
unterstützten Fortpflanzung stehen
EJPD schickt Vorentwurf zum Humanmedizingesetz in
die Vernehmlassung

Verfahren der medizinisch unterstützten
Fortpflanzung sollen nur in einem ethisch
verantwortbaren Rahmen angewendet werden und sich
am Kindeswohl als oberster Maxime orientieren. Dies
sieht der Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die
medizinisch unterstützte Fortpflanzung und eine
nationale Ethikkommission (Humanmedizingesetz)
vor. Der Bundesrat hat das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement (EJPD) ermächtigt, den
Vorentwurf bis Ende Oktober 1995 in die
Vernehmlassung zu schicken.

Am 17. Mai 1992 haben Volk und Stände dem Artikel
24novies der Bundesverfassung über den Schutz des
Menschen und seiner Umwelt gegen Missbräuche der
Fortpflanzungs- und Gentechnologie mit 73,8 % Ja
zugestimmt. Der Verfassungsartikel setzt klare
ethische Leitplanken für die
Ausführungsgesetzgebung: Unzulässig sind namentlich
Eingriffe in das Erbgut von menschlichen Keimzel
len und Embryonen, die Embryonenspende und alle
Arten von Leihmutterschaften sowie der Handel mit
Keimgut und mit Erzeugnissen aus Embryonen. Die
Fortpflanzungsverfahren sind nur zur Überwindung
von Unfruchtbarkeit und zur Verhinderung einer
schweren Erbkrankheit erlaubt. Im Falle einer In-
vitro-Fertilisation dürfen nicht mehr Embryonen
erzeugt werden, als sofort auf die Frau übertragen
werden können. Schliesslich ist der Zugang einer
Person zu den Daten über ihre Abstammung zu
gewährleisten.

Gestützt auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben
sieht der Vorentwurf insbesondere vor, dass nur
Paare im fortpflanzungsfähigen Alter behandelt
werden können. Mann und Frau sollen zusammen ihre
Eltern- und Erziehungsverantwortung für ihr
gemeinsames Kind übernehmen. Die Anwendung der
Fortpflanzungshilfe bei einer alleinstehenden Frau
oder bei gleichgeschlechtlichen Paaren wird mit
Rücksicht auf das Kindeswohl ausgeschlossen.
Gespendete Samenzellen dürfen nur bei Ehepaaren
verwendet werden. Im Falle einer künstlichen
Befruchtung mit gespendetem Samen befindet sich das
Kind faktisch in bezug auf einen Elternteil in
einer ähnlichen Situation wie bei einer Adoption,
die unverheirateten Paaren nicht offensteht.

Verbot der Ei- und Embryonenspende sowie der
Leihmutterschaft
Eine Eispende hätte die unerwünschte Folge, dass
zwei Frauen Anteil am Entstehen des Kindes haben -
eine Erscheinung, welche die Natur nicht vorsieht.
Auch eine Samenspende führt nicht zu einer
Verdoppelung der Abstammung von mehreren Vätern.
Verboten ist ferner die Embryonenspende, die zu
einer künstlichen Zeugung eines Kindes führen
würde, das weder von seiner sozialen Mutter noch
von seinem sozialen Vater abstammt. Die
Leihmutterschaft instrumentalisiert die Frau und
wird auch aus Rücksicht auf das Kindeswohl unter
sagt.

Reproduktionsmedizinische Techniken sind nur zur
Überwindung der Unfruchtbarkeit eines Paares
zulässig (medizinische Indikation), und
grundsätzlich auch dann, wenn die Gefahr der
Übertragung einer schweren, unheilbaren Erbkrank
heit nicht anders vermieden werden kann (genetische
Indikation). Diesfalls wird eine ganzheitliche
genetische Beratung sichergestellt.

Die In-vitro-Fertilisation legt den Embryo - mit
allen Folgeproblemen - in Menschenhand. Die
Befruchtung ausserhalb des Körpers der Frau wird
deshalb umfassend in den Dienst der Herbeiführung
einer Schwangerschaft gestellt. Die Gewinnung und
Entwicklung von Embryonen für andere Zwecke als für
medizinisch unterstützte Fortpflanzung sind
verboten. Erlaubt ist bloss eine Konservierung
befruchteter Eizellen vor der Kernverschmelzung,
d.h. bevor ein Embryo entstanden ist.

Würde, Leben und Gesundheit sollen geschützt werden
Zum Schutz von Würde, Leben und Gesundheit
namentlich des ungeborenen Kindes sind weitere
strafrechtliche Normen erforderlich. Untersagt sind
insbesondere die Keimbahntherapie (Manipulationen
am Erbgut, das sich weitervererben) sowie das
Klonen (künstliche Herstellung genetisch
identischer Wesen). Das Verbot des Klonens erfasst
auch das Abspalten einer totipotenten Zelle von
einem Embryo in vitro zu diagnostischen Zwecken.

Besonders missbrauchsanfällig sind Samenspenden.
Zur Verminderung des Risikos von Verwandtenehen und
zur Vorbeugung von Zuchtwahltendenzen werden
einschränkende Regelungen vorgeschlagen. Dem mit
gespendeten Samenzellen gezeugten Kind wird mit
Rücksicht auf die persönliche Freiheit ab dem 16.
Lebensjahr ein Zugang zu den Personalien des
Spenders garantiert. Im Gegenzug soll die
Vaterschaftsklage ausgeschlossen werden.

Aus Gründen des öffentlichen Gesundheitsschutzes
und im Hinblick auf die besonderen
Missbrauchsgefahren und die dadurch notwendige
Kontrolle ist für die Anwendung von
Fortpflanzungsverfahren und für die Konservierung
von Keimgut eine grundsätzliche
Bewilligungspflicht vorgesehen. Dies bedeutet
namentlich, dass ein behandelndes Team eine
umfassende medizinische, fortpflanzungsbiologische
und psychologische Beratung sowie Betreuung der
Wunscheltern gewährleisten muss.

Zukünftig Richtlinien und Empfehlungen der
Ethikkommission
Im Hinblick auf den raschen biotechnologischen
Fortschritt beschränkt sich der Vorentwurf auf das
Wesentliche und sieht die Einsetzung einer
nationalen Ethikkommission vor. Dieses
multidisziplinär zusammengesetzte Gremium soll zu
allen Grenzfragen der Entwicklung der Medizin aus
ethischer Sicht Richtlinien erarbeiten und
Empfehlungen abgeben können.

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst

2. Juni 1995

Anhang

Erste Etappe der Ausführungsgesetzgebung

Die sogenannte "Beobachter-Initiative" aus dem
Jahre 1987 verlangte vom Bund den Erlass von
Vorschriften zur Verhinderung des Missbrauchs der
Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen.
Bundesrat und Parlament arbeiteten einen
Gegenvorschlag mit zahlreichen
verfassungsrechtlichen Leitplanken aus. Zur
Verhinderung sogenannt "überzähliger" Embryonen
einigten sich die Räte auf eine Regelung, wonach
nur so viele menschliche Eizellen ausserhalb des
Körpers der Frau zu Embryonen entwickelt werden
dürfen, als ihr sofort eingepflanzt werden können.
Überdies muss der Zugang zu den Daten der
Abstammung gewährleistet werden. Eine Zusicherung
der Spenderanonymität ist dadurch nicht mehr
möglich. Die "Beobachter-Initiative" wurde dar
aufhin zurückgezogen.

Am 17. Mai 1992 nahmen Volk und Stände den neuen
Artikel 24novies der Bundesverfassung über den
Schutz des Menschen und seiner Umwelt gegen Miss
bräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie mit
73,8 % Ja an. Der Bundesrat stimmte am 7. Juni
1993 dem Bericht der Interdepartementalen Arbeits
gruppe für Gentechnologie betreffend die
Koordination der Rechtsetzung über Gentechnologie
und Fortpflanzungsmedizin (IDAGEN) zu. Hinsichtlich
der Ausführungsgesetzgebung im Humanbereich schlug
die Kommission ein dreistufiges Vorgehen vor:

1. Etappe: Gesetz über die medizinisch unterstützte
Fortpflanzung und damit verbundene Fragen der
Gentechnologie, Einsetzung einer nationalen Ethik
kommission;
2. Etappe: Gesetz über die Genomanalyse;
3. Etappe: Untersuchung offener Fragen im Bereich
der Forschung am Menschen (unter Einschluss der
Forschung am menschlichen Keimgut) durch eine
Studiengruppe.

Der Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die
medizinisch unterstützte Fortpflanzung und eine
nationale Ethikkommission enthält die erste Etappe
der Ausführungsgesetzgebung zur
Fortpflanzungsmedizin und zur Gentechnologie im
Humanbereich. Er unterbreitet - unter Vorbehalt der
Präimplantationsdiagnostik - noch keine Vorschläge
zur pränatalen Diagnostik. Diese Fragen gehören
zur zweiten Etappe der Ausführungsgesetzgebung
(Genomanalyse). Der Vorentwurf ist als indirekter
Gegenvorschlag zur Volksinitiative für menschen
würdige Fortpflanzung zu verstehen, welche die In-
vitro-Fertilisation und die Verwendung von
Keimzellen Dritter zur künstlichen Zeugung generell
verbieten will.

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst

2. Juni 1995