Nationalratswahlen vom 19.10.2003
Nationalratswahlen 2003
Uebersicht

W Möglichkeiten gezielter Förderung von Frauen

  • W1 Der Einfluss der Listengestaltung auf den Wahlausgang
  • W2 Gezielte Vorkumulation
  • W3 Reihenfolge der Kandidaturen
  • W4 Reine Frauenlisten
  • W5 Listen- und Unterlistenverbindungen
  • W6 Wirksamkeitsgrenzen derartiger Förderungsmassnahmen

  • W1 Der Einfluss der Listengestaltung auf den Wahlausgang

    Die Frauen machen zwar die Mehrheit des Schweizer Volkes aus. Im Nationalrat - der gesamtschweizerischen Volksvertretung - sind sie freilich bisher quantitativ weniger als halb so stark vertreten. Wer dies korrigieren möchte, kann die Wahlchancen von Frauen durch die Listengestaltung konkret, wirksam und erheblich verbessern. Das Schweizer Wahlrecht ermöglicht den Parteien nämlich Differenzierungen nahezu beliebiger Art, welche als Frauenförderungsmassnahmen benützt werden können, sofern der politische Wille vorhanden ist. Wichtig für die Wirksamkeit der Massnahmen ist jedoch, dass sie nicht isoliert und punktuell, sondern im Rahmen eines gezielten Förderungskonzepts der Listengestaltung ergriffen werden, welches auf die konkrete örtliche und personelle Situation Ihrer Grupperung im jeweiligen Kanton abgestimmt ist. Die nachfolgenden Hinweise stellen einige mögliche wahltechnische Parameter für ein solches Förderungskonzept dar.


    W2 Gezielte Vorkumulation

    Die Massnahme erzielt in aller Regel ausgesprochen starke Wirkung zugunsten der geförderten Person(en). Mit der Vorkumulierung (zweimaligem vorgedrucktem Aufführen einer Kandidatur auf dem Wahlzettel, BPR Art. 22 Abs. 1) kann beispielsweise Minderheiten gezielt eine Chance eröffnet werden, ein ansonsten gefährdetes Mandat zu erringen oder zu erhalten. So hat eine Partei in einem Kanton auch schon gezielt und erfolgreich in diesem Sinne vom Instrument Gebrauch gemacht, um einer sprachlichen Minderheit die Chancen auf einen sonst gefährdeten Sitz zu erhalten; bei der Wiederwahl vier Jahre später war die Massnahme dann entbehrlich. Das Instrument lässt sich aber beispielsweise auch gezielt zur Förderung kandidierender Frauen einsetzen.


    W3 Reihenfolge der Kandidaturen

    W3a Enthält ein Wahlzettel überzählige Namen, so sind darauf die letzten Namen zu streichen. Dies bedeutet in der Praxis, dass mit der Platzierung von Frauenkandidaturen an der Spitze eines Wahlzettels durch die nominierenden Organe einer Partei bereits weitestgehend vorgespurt werden kann, ob bei der Wahlausmittlung Frauen oder Männer die Zeche dafür bezahlen, dass sich auf Wahlzetteln infolge Panaschierens oder Kumulierens seitens der Wählerschaft allzu viele Namen finden.

    W3b Die Reihenfolge der Kandidaturen auf dem Wahlzettel kann beliebig frei gestaltet werden. So werden beispielsweise häufig (und fast immer erfolgreich) wiederkandidierende Bisherige an die Spitze der Liste gesetzt. Dieses Instrument ermöglicht es gewünschtenfalls aber auch, beispielsweise die kandidierenden Frauen im Sinne einer Förderungsmassnahme konsequent oder wenigstens selektiv an die Spitze der Liste zu setzen.


    W4 Reine Frauenlisten

    In manchen Kantonen sind inzwischen einzelne oder mehrere Parteien dazu übergegangen, unter anderem auch reine Frauenlisten zu präsentieren. Diese Massnahme ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Für sich allein eingesetzt, hilft sie nur bei Parteien, in denen die Frauen insgesamt bereits ebenso stark an vorderster Linie getragen werden wie Männer; sonst kann diese Massnahme Frauen einer bestimmten Gruppierung den Eintritt in den Nationalrat statt eröffnen auch gerade verwehren.


    W5 Listen- und Unterlistenverbindungen

    W5a An den konkreten Umständen orientiert und richtig konzipiert, kann die Massnahme ebenso erfolgversprechend zur gezielten Frauenförderung eingesetzt werden, wie Beispiele aus Kantonen bei früheren Nationalratswahlen belegen.

    W5b Damit reine Frauenlisten für Frauenkandidaturen nicht zur Falle werden, sollten sie in aller Regel gemeinsam mit dem Mittel der Listen- und allenfalls der Unterlistenverbindung (vgl. BPR Art. 31) eingesetzt werden. Diese Instrumente dienen vor allem der besseren Auswertung der Reststimmen: Die bei der Division der Verteilungszahl in der Parteistimmenzahl unberücksichtigt bleibenden Reste, die sonst verloren gehen würden, kommen den Gruppierungen zugute, deren Listen verbunden sind.

    W5c Eine Partei kann also den Umstand nutzen, dass jede Gruppierung mehrere Listen einreichen kann.

    W5d Listenverbindungen sind unbeschränkt zugelassen. Mit übereinstimmenden Erklärungen können verschiedene Gruppierungen oder Parteien ihre Listen als verbunden erklären. Unterlistenverbindungen hingegen sind nur beschränkt zugelassen. Listenverbindungen sind zwischen zwei oder mehreren Parteien möglich, Unterlistenverbindungen nur noch zwischen Listen gleichen Namens, die sich voneinander allein durch einen Zusatz zum Geschlecht, zum Alter, zur Region oder zu den Flügeln der Gruppierung unterscheiden. Unterlistenverbindung kann eine Liste innerhalb einer Listenverbindung also mit einer oder mehreren anderen Listen eingehen, wo eine Partei oder Gruppierung unter demselben Hauptnamen mehr als eine Liste einreicht. Unter-Unterlistenverbindungen sind unter keinen Umständen mehr zulässig.

    W5e In grossen Wahlkreisen, wo eine Partei lokalen oder regionalen Wahlmanövern ausgesetzt ist, kann sie mehrere Listen aufstellen und diese miteinander verbinden; auf diese Weise kann sie ihre regionale Ausstrahlungskraft stärken, ohne bei der Feststellung des Wahlergebnisses ihre Einheit einzubüssen und durch die Aufteilung Stimmenanteile nicht mehr ausnützen zu können. Regional oder flügelmässig stark ausdifferenzierte Parteien (etwa entlang einer Sprachgrenze) nutzen das Instrument regelmässig und erfolgreich zur Wahrung eines oft heiklen inneren Gleichgewichts.

    W5f Hochbedeutsam für eine wirksame Förderung der Frauen ist jedoch, das parteiinterne Stimmenverhältnis zwischen den Frauen und den Männern bei vergleichbaren früheren Wahlen zu bestimmen. Förderungswirkung wird nur erzielt, wenn daraufhin die Männer proportional zu diesem Stärkeverhältnis mehr Listen stellen als die Frauen und wenn gleichzeitig die Kandidaten mit den besten Wahlchancen auf diese Listen aufgeteilt werden. Bei einem erwarteten Stärkeverhältnis Männer-Frauen von 2:1 etwa sind zwei Männer- einer Frauenliste gegenüberzustellen und alle drei Listen miteinander zu verbinden. Damit werden die Wahlchancen der kandidierenden Frauen gegenüber den Männern ausgeglichen und der interne Wettbewerb verstärkt, ohne dass der Partei als ganzes irgendwelche Nachteile entstehen können. Für die Wirksamkeit der Förderung von Frauen kann dieses proportionale Listensplitting je nach kantonalen, sprachlichen, personellen und parteiinternen Besonderheiten ausgesprochen wichtig sein.


    W6 Wirksamkeitsgrenzen derartiger Förderungsmassnahmen

    Beim Ausfüllen des Wahlzettels bleiben alle Stimmberechtigten frei (BPR Art. 35): Sie können nach Belieben streichen, kumulieren und/oder panaschieren. Aber soweit sie den Wahlzettel nicht aktiv verändern, wirken sich von einer Partei getroffene Frauenförderungsmassnahmen im Sinne der vorstehenden Hinweise aus.